Dass die Deutsche Bahn (DB) beim Thema Pünktlichkeit nicht gerade glänzt, ist bekannt. Seit Jahren belegen selbst die offiziellen Statistiken, dass es der Konzern vielfach nicht schafft, seine Fahrpläne einzuhalten. Und jetzt wird ein neuer Vorwurf gegen die Bahn laut: Demnach schönt der Konzern seine Statistiken noch zusätzlich, indem er absichtlich Verbindungen ausfallen lässt – damit diese gar nicht erst in die Statistik eingehen.
Interner Bahn-Vermerk löst Kontroverse aus
Zuerst hatte der "Spiegel" darüber berichtet (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt). Das Magazin beruft sich auf zwei konkrete Fälle aus dem September, bei denen Züge mit einer beziehungsweise zwei Stunden Verspätung unterwegs waren. In beiden Fällen wurden die Züge schließlich gestoppt, die Fahrgäste mussten mit anderen Verbindungen ans Ziel kommen. Laut "Spiegel" hieß es dazu in einem internen System-Chat der DB zur Begründung: "Zug fällt zur Verbesserung der Statistik ab Köln aus".
Hintergrund ist, dass Zugausfälle nicht in der betrieblichen Pünktlichkeitsberechnung berücksichtigt werden. Sie erfasst die Haltepunkte der Züge, die diese mit einer Verspätung von mindestens sechs Minuten erreichen. Im vergangenen Monat waren demnach lediglich knapp 60 Prozent der Fernzüge pünktlich unterwegs. Ausgefallene Züge gehen nicht in diese Quote ein, bei Teilausfällen nur die Strecke, die der Zug bereits zurückgelegt hat.
GDL spricht von "offenem Geheimnis" bei der Bahn
Auch der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Mario Reiß, hat der Deutschen Bahn vorgeworfen, die Statistik über die Pünktlichkeit der Züge zu schönen. "Dass Züge aus der Statistik genommen werden, um die Bilanz zu schönen, ist für uns keine Überraschung und seit längerem unter Fachpersonal ein offenes Geheimnis", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (externer Link, möglicher Bezahl-Inhalt). "Unsere Mitglieder erleben solche Situationen seit Langem in ihrem Arbeitsalltag und berichten uns regelmäßig davon."
Reiß zufolge versucht die DB-Spitze "mit Zahlentricks und Leerfahrten von den eigentlichen Ursachen abzulenken". Jede einzelne Verspätung löse weitere Folgeverspätungen aus, "ein regelrechter Strudel entsteht". Statt dieses Kernproblem anzugehen, werde mit kurzfristigen Maßnahmen der Eindruck erweckt, die Lage sei unter Kontrolle. "Für die Reisenden bedeutet das natürlich verpasste Anschlüsse, lange Wartezeiten und ein immer größer werdendes Misstrauen."
Bahn: Lassen keine Züge ausfallen, um Statistik aufzubessern
Die Bahn selbst weist alle Vorwürfe zurück. "Die DB schönt keine Statistiken", heißt es in einer Mitteilung. Zwar würden bei hohen Verspätungen im Fernverkehr Züge gestoppt und Fahrgäste gebeten, auf andere Verbindungen umzusteigen. Im Einzelfall könne das "betrieblich sinnvoll sein", um Fahrgästen einen "schnellen Umstieg auf den im Takt folgenden Fernverkehrszug zu ermöglichen". Damit solle aber nicht verhindert werden, dass die betroffenen Züge in die Verspätungsstatistik eingehen.
Die Gründe dafür, dass Verbindungen manchmal vorzeitig enden, seien andere: Zum einen müssten auf hoch verspäteten Zügen die arbeitsrechtlichen Belange des Zugpersonals berücksichtigt werden. Außerdem belasteten die verspäteten Verbindungen das ohnehin schon überlastete Netz. Die Grundvoraussetzung dafür, Züge auf Teilabschnitten ausfallen zu lassen, sei aber, dass es auf der betroffenen Verbindung eine direkte Alternative für die Fahrgäste gebe.
Formulierung des Bahn-Mitarbeiters sei falsch
Die vom "Spiegel" zitierte interne Plattform "BetriebLive" diene darüber hinaus der tagesaktuellen Vernetzung von tausenden Disponenten aller Eisenbahnverkehrsunternehmen. Über diese Plattform finde Austausch im Chat-Format statt, nicht jedoch Statistik-Erfassung. "Die im vorliegenden Fall von einem Mitarbeiter gewählte Formulierung ist falsch. Mit ihm ist bereits Kontakt aufgenommen worden."
Nach Angaben der Bahn waren zuletzt rund zwei Prozent der Fernverkehrszüge von Verspätungen über 60 Minuten betroffen. Im August habe die Bahn ihre Reisenden-Pünktlichkeit sogar verbessert. 66,7 Prozent der Reisenden im Fernverkehr erreichten demnach ihr Ziel pünktlich – das heißt mit weniger als 15 Minuten Verspätung, betonte der Konzern. Im August hatte diese Quote bei 64,0 Prozent gelegen, im Juli 2025 bei 59,4 Prozent. Ursache für die schlechten Werte sind laut DB die störanfällige Infrastruktur und die hohe Zahl zusätzlich notwendiger Baustellen.
Mit Informationen von dpa und AFP
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