Die Fertigstellung lässt noch mindestens zehn Jahre auf sich warten, die Kosten steigen und steigen: Statt knapp acht Milliarden Euro soll die zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke nun etwa 9,4 Milliarden Euro kosten. Das geht aus einem Bericht des bayerischen Verkehrsministeriums hervor, der im Landtags-Unterausschuss zur Stammstrecke gegeben wurde. Ursache für die Teuerung um weitere knapp 1,7 Milliarden Euro ist demnach die Kostensteigerung, insbesondere im Baugewerbe.
Die Bahn rechnet bereits jetzt damit, dass die Gesamtkosten am Ende noch deutlich höher sein werden: Laut einem Bahnsprecher muss angesichts der aktuellen Inflation bis zum Abschluss der Bauarbeiten in den Jahren 2035 bis 2037 mit weiteren 1,6 Milliarden Euro mehr gerechnet werden. Damit lägen die Gesamtkosten bei etwa elf Milliarden Euro.
Minister Bernreiter: Kostensteigerung zu erwarten gewesen
Von Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) heißt es dazu, dass die erneute Kostensteigerung "angesichts der bekannten Preisentwicklungen seit 2021 im Baubereich und der Auswirkung von Inflation und Zinssteigerung grundsätzlich zu erwarten" gewesen sei. Die Bahn sei verantwortlich für Planung, Kosten und Bauzeit. Enthalten sei ein Risikopuffer in Höhe von zwei Milliarden Euro. Die regelmäßige Fortschreibung der Kosten gemäß Baupreisindex entspreche der vertraglichen Regelung zwischen Freistaat und Bahn.
Bernreiter betonte, er habe seit seinem Amtsantritt Transparenz und Ehrlichkeit bezüglich Kosten und Terminen eingefordert. Der Freistaat werde am kontinuierlichen Projektmonitoring für den Ausbau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke festhalten.
Grüne: Schlechte Nachricht für Steuerzahler
Die Grünen-Landtagsfraktion beklagt eine Kostensteigerung "in absurde Höhen". "Gebaut wird ja noch mehr als zehn Jahre, und es gibt noch viele Teile, die noch gar nicht beauftragt sind", sagt Grünen-Verkehrsexperte Markus Büchler. Für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sei das eine "fürchterlich schlechte Nachricht – es ist ihr Geld, dass die CSU hier sehenden Auges versenkt". Viele Eisenbahnprojekte im Freistaat könnten über Jahre brachliegen, weil das Geld in dem Prestigeprojekt in München stecke.
AfD-Verkehrsexperte Benjamin Nolte beklagt ein "Planungschaos". Die Deutsche Bahn, "einstmals in aller Welt berühmt für ihre Pünktlichkeit", sei längst zu einem Symbol für notorische Unzuverlässigkeit verkommen.
Fahrgastverband Pro Bahn: "Peinlich"
Eine Kostensteigerung auf das 20-Fache kritisiert Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn Südbayern. Zu Beginn des Jahrtausends sei das Projekt unter dem damaligen Wirtschafts- und Verkehrsminister Otto Wiesheu (CSU) auf 500 Millionen Euro geschätzt worden, als die grundsätzliche Machbarkeit einer zweiten Tunnelröhre für die S-Bahn mit einem Ausbau des Bahn-Südrings verglichen worden war.
Die Kostensteigerungen und Bauzeitverzögerungen seien ein Verschulden der Landespolitik. Diese habe die Kritik einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Die Kostensteigerungen bei der zweiten Stammstrecke würden den Berliner Flughafen und Stuttgart 21 bald in den Schatten stellen, jedenfalls dürfe "aus Bayern niemand mehr über den Berliner Flughafen spotten". Es sei peinlich, wie das Projekt insgesamt gelaufen sei.
Geschätzte Kosten für die zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke
Baufortschritt am Marienplatz und am Ostbahnhof
Die Bauarbeiten für die zweite Stammstrecke gehen derweil weiter. Beim Tiefbahnhof Marienplatz sind die Bauleute inzwischen auf die maximale Tiefe von 48 Metern vorgestoßen. In der vergangenen Woche hat die Bahn verkündet, dass auch am Ostbahnhof bald gebaut werden könne. Die Station für Autoreisezüge kann dort wegfallen. Am Südbahnhof ist eine neue Autozuganlage fertiggestellt worden.
Ein Konsortium aus Hochtief und der Schweizer Spezialfirma Implenia hat den Zuschlag für den Bau des Tiefbahnhofs und des Tunnels vom Ostbahnhof bis zum Marienplatz bekommen. Sie werden auf einer Strecke von drei Kilometern in den nächsten zwei Jahren unter laufendem Bahnbetrieb im innerstädtischen Bereich bauen.
Eine neue Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) hat ein Ergebnis von 1,07 gebracht. Damit könnte das Projekt vom Bund gefördert werden. Allerdings wurden die Berechnungsgrundlagen bisher nicht offengelegt. Die Milliardenkosten tragen Bund und Freistaat anteilig.
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