Johann Wadephul (CDU) sitzt seit 2009 im Bundestag. Er ist Jurist und Ex-Zeitsoldat. Er hat früher als Fraktionsvize im Bereich Auswärtiges und Verteidigung gearbeitet und verfügt über gute Kontakte in Nahost. Trotzdem schwelt in der Union seit einer Woche großer Ärger über Wadephul.
Wadephuls Äußerungen zur Situation in Syrien
Während einer Syrien-Reise hatte Wadephul vergangene Woche angezweifelt, dass angesichts der massiven Zerstörung kurzfristig viele syrische Geflüchtete freiwillig dorthin zurückkehren werden. In einer schwer verwüsteten Vorstadt von Damaskus sagte er: "Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben." In der Union kam das nicht gut an. Einige befürchteten, dass sich Wadephul distanzieren wolle vom Kurs, syrische Straftäter so schnell wie möglich abzuschieben und eine freiwillige Rückkehr syrischer Geflüchteter in ihr Heimatland zu fördern.
Anfang der Woche unterstrich Wadephul seine Aussagen in einer Sitzung der Unions-Fraktion und sagte nach Angaben von Teilnehmern, die Situation in Syrien sei schlimmer als die in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Das sorgte für neuen Wirbel: Ein Abgeordneter nannte den Auftritt Wadephuls in der Fraktion "schlimm" und "desaströs". Außerdem hieß es, dass die Unterstützung für den Außenminister in der Fraktion schwinde.
Gründe für die massive Kritik aus der Union
Auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) kritisierte Wadephul für seine Äußerungen. Denn: Es ist Dobrindts Aufgabe als Innenminister, dafür zu sorgen, Ausreisepflichtige zurückzuführen. Ob Rückführungen nach Syrien möglich sind, hängt maßgeblich vom vertraulichen Lagebericht des Auswärtigen Amtes ab. Die Diplomaten dort sind traditionell eher vorsichtig, nach dem Sturz des Assad-Regimes und der Machtübernahme der Regierung unter Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa das Land als sicher einzustufen.
Wadephul und Dobrindt verfolgen also allein schon durch ihre Ämter unterschiedliche Interessen. Dobrindt erklärte, man sei dabei, "mit Syrien Vereinbarungen zu machen", die Rückführungen ermöglichen. Im September hatte er angekündigt, dass es noch heuer zu einer Vereinbarung kommen solle und dann zunächst Straftäter und später Personen ohne Aufenthaltsrecht abgeschoben werden sollten.
Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte: "Es gibt jetzt keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland und deswegen können wir auch mit Rückführungen beginnen." Er setze darauf, dass ein großer Teil der syrischen Flüchtlinge freiwillig zurückkehren werde, um sich am Wiederaufbau ihres Landes zu beteiligen, betonte der Kanzler. Außerdem sprach er von möglichen Abschiebungen "in naher Zukunft".
Wadephul ordnete Aussage ein – Diskussion läuft weiter
Am Dienstag stellte Wadephul klar, er und das Auswärtige Amt stünden hinter dem Ziel, Straftäter und Gefährder nach Syrien zurückzuführen.
Trotzdem reißt die Kritik aus der Union nicht ab. Der Landesvorsitzende der Jungen Union Hessen, Lukas Brandscheid, äußerte Zweifel daran, ob Wadephul der Richtige für das Amt sei. Dem Deutschlandfunk sagte Brandscheid, Wadephul habe "augenscheinlich die politische Kraft für das Amt nicht mehr in der Souveränität inne, in der er sie eigentlich bräuchte". Der nordrhein-westfälische Landeschef der Jungen Union, Kevin Gniosdorz, forderte im Focus "mehr Führung und strategische Koordination aus dem Kanzleramt". Prominente Unionspolitiker äußerten sich dazu aber nicht öffentlich.
Unionsspitzen bemühen sich um geeinte Außenwirkung
Bisher deutet nichts darauf hin, dass Wadephul als Minister wirklich ins Wanken kommt. Es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass der Kanzler mit dem Gedanken spielen würde, sein Kabinett umzubauen, ist von gut vernetzten Unionsleuten zu hören. Ein Regierungssprecher versicherte: "Selbstverständlich steht der Bundeskanzler hinter dem Außenminister."
Innenminister Dobrindt sagte auf Nachfrage, dass im Koalitionsvertrag Vereinbarungen zur Migrationspolitik getroffen worden seien. Und wörtlich: "Der Außenminister und ich, wir sind uns vollkommen einig, dass wir diese Vereinbarungen auch genauso umsetzen. Da gibt es keine unterschiedliche Einschätzung."
CSU gehört zu den Kritikerinnen von Wadephul
Auch wenn die Spitzen der Union versuchen, geeint zu wirken: Die gereizte interne Syrien-Debatte ist nach außen gedrungen.
Die CSU verfolgt das Kalkül, mit ihrem Innenminister Dobrindt ein Zeichen in der Migrationspolitik zu setzen. Und auch der Minister will sich damit profilieren, dass die Bundesregierung das Recht vollzieht. Wadephul und seine Diplomaten sind zurückhaltender, weil sie keine Entscheidungen treffen wollen, die sie später revidieren müssen.
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