Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will eine "Neuordnung der europäischen Migrationspolitik", so steht es in der Einladung. Auf dem Gipfel solle eine "Agenda für den Migrationsturbo in Europa" verabschiedet werden, so ein Sprecher.
Dobrindt will mit dem Treffen auf der Zuspitze seine selbst so bezeichnete Migrationswende vorantreiben. "Es ist ein europäisches Problem und es wird Zeit, dass Deutschlands Platz im Lösungsteam ist und nicht im Bremserhäuschen", sagte Dobrindt letzte Woche im Bundestag. Klar ist, die Maßnahmen betreffen vor allem Asylsuchende. "Wenn es heißt, wir wollen keine illegale oder irreguläre Migration, heißt das, wir wollen keine Asylmigration", sagt Dana Schmalz, Völkerrechtsexpertin am Max-Planck-Institut in Heidelberg.
Umstrittene Grenzkontrollen
Am 8. Mai verschärfte Bundesinnenminister Dobrindt die seit September 2024 an allen deutschen Grenzen durchgeführten Kontrollen. Bundespolizisten wurden angewiesen, auch Asylsuchende zurückzuweisen. Nur besonders schutzbedürftige Asylbewerber, wie Schwangere, Kranke oder Minderjährige werden bei den Kontrollen durchgelassen. Zahlenmäßig ist der Effekt überschaubar: Die Bundespolizei meldete für den ersten Monat 160 Asylbewerber, die zurückgewiesen wurden, 46 wurden als vulnerabel eingestuft und durften einreisen.
Und doch beinhaltet die Weisung des Innenministers viel Zündstoff. Die Zurückweisung von Schutzbedürftigen widerspricht nach Ansicht von Experten europäischem Recht. Außerdem gab es harsche Kritik aus den betroffenen Nachbarländern. Polen führte als Reaktion auf die deutschen Kontrollen und Zurückweisungen ebenfalls Grenzkontrollen ein.
Treffen mit betroffenen Nachbarstaaten
Die Einladung zu dem "Zugspitz-Summit on Migration" ging deshalb an die Amtskolleginnen und -kollegen aus direkt betroffenen Nachbarländern: Frankreich, Polen, Österreich, Dänemark und der Tschechischen Republik. Auch der zuständige EU-Kommissar für Innen und Migration, der Österreicher Magnus Brunner (ÖVP) ist dabei.
Der Gipfel auf der Zugspitze kann also auch als Versuch gewertet werden, mit den Nachbarn wieder an einem Strang zu ziehen. Schließlich haben insgesamt zwölf EU-Länder Grenzkontrollen wieder eingeführt, obwohl diese eigentlich dem Schengener Grenzkodex zuwiderlaufen. Sie können nur bei besonderen Gefährdungslagen wieder eingeführt werden, müssen bei der EU-Kommission angezeigt werden und vor allem befristet sein.
Die schwarz-rote Bundesregierung beruft sich bei den jüngst angeordneten Grenzkontrollen und der Zurückweisung der Asylsuchenden auf Art. 72 des EU-Vertrags (AEUV), der landläufig als Notstandsklausel bezeichnet wird. Der Artikel erlaubt EU-Mitgliedsstaaten auf nationales Recht zurückzugreifen, also § 18 Absatz 2 des deutschen Asylgesetzes, der wiederum erlaubt, Asylsuchende in sichere Drittstaaten zurückzuweisen.
Grenzkontrollen juristisch unter Druck
Nachdem das Verwaltungsgericht Berlin die Maßnahme in einem Eilverfahren bereits als rechtswidrig verurteilt hat, rechnet die Expertin für Migrationsrecht, Dana Schmalz, mit weiteren Entscheidungen. "Ich bin überzeugt, dass es eine europarechtswidrige Praxis ist", sagt Schmalz im BR24-Interview, "es besteht außerdem das Risiko, dass die Situation zwischen den Staaten eskaliert, wenn Personen zwischen den Staaten festhängen."
Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl, LeaveNoOneBehind und der Bayerische Flüchtlingsrat warnen in einer gemeinsamen Presseerklärung: "Der höchste Punkt Deutschlands darf nicht zum moralischen Tiefpunkt der Nation werden. Menschenrechte gelten überall, auch auf 2.962 Metern."
Dobrindt will Drittstaaten-Regelung lockern
Eigentlich sollte die Reform für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) eine europäische Lösung innerhalb der nächsten zwei Jahre herbeiführen. Kern der GEAS-Reform sind Asylverfahren, die bereits an den europäischen Außengrenzen entschieden werden. Anerkannte Asylbewerber sollen dann auf die europäischen Länder verteilt werden, die bereit sind, sie aufzunehmen. Den mühsam ausgehandelten Kompromiss will Alexander Dobrindt nicht aufkündigen, aber nachschärfen.
Deshalb soll es auf der Zugspitze auch um Rückführungen in Drittstaaten gehen, sagte Dobrindt im Deutschlandfunk. Er meint etwa Nachbarländer von Krisenstaaten. Bisher gilt laut GEAS, dass für das sogenannte Drittstaatenmodell ein sogenanntes Verbindungselement vorhanden sein muss, dass also die Personen z. B. eine familiäre oder andere persönliche Verbindung mit dem Land haben müssen. Dobrindt will, dass das kein Kriterium mehr sein muss, um Flüchtlinge etwa in ein Transitland zu schieben.
Hohe Hürden für Asylverfahren außerhalb der EU
Das sogenannte Verbindungselement im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem ist auch erforderlich, wenn Asylverfahren in Drittstaaten durchgeführt werden sollen. Bereits Dobrindts Vorgängerin Nancy Faeser (SPD) ließ prüfen, unter welchen Bedingungen ein solches Modell durchgeführt werden könnte. Im Abschlussbericht, der kurz vor Amtsantritt Dobrindts veröffentlicht wurde, ist von hohen rechtlichen und praktischen Hürden die Rede, selbst wenn das Verbindungselement nicht mehr Bedingung wäre. Es gebe "keine Anzeichen, dass geeignete Drittstaaten bereit wären, über Kooperationen zu verhandeln."
Die Expertin für Migrationsrecht Dana Schmalz bezweifelt ebenfalls, dass sich Länder finden, in denen Asylverfahren außerhalb Europas rechtskonform durchgeführt werden können. "Man malt sich was aus, was aber schwer durchführbar ist", sagt Schmalz. Auch habe das Modell keine abschreckende Wirkung, das zeige sich am Beispiel Großbritanniens, das Asylverfahren nach Ruanda auslagern wollte. "Abschreckung klappt nicht, wenn Menschen vor einer schrecklichen Situation fliehen müssen."
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