Seit gut 25 Jahren verhandeln die EU und der südamerikanische Staatenbund Mercosur über ein umfassendes Freihandelsabkommen. Jetzt ist der Abschluss einen bedeutenden Schritt nähergekommen. Die EU-Kommission nahm am Mittwoch den juristisch überprüften Text des Abkommens offiziell an und leitete den Ratifizierungsprozess ein. Das bedeutet, dass nun die EU-Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament entscheiden müssen.
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Größte Freihandelszone der Welt könnte entstehen
Die Freihandelszone soll die größte Wirtschaftspartnerschaft der Welt schaffen – zwischen der EU und dem 1991 gegründeten Mercosur-Bund. Diesem gehört neben den vier Gründungsstaaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay inzwischen auch Bolivien an. Beide Staatenverbunde zusammen zählen mehr als 715 Millionen Verbraucher – rund 450 Millionen in der EU und 270 Millionen in Südamerika. 2024 betrug das Handelsvolumen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten 112,3 Milliarden Euro.
Ziel des Pakts ist es in erster Linie, Einfuhrgebühren auf Industriegüter und Agrarprodukte abzubauen: Rund 91 Prozent der Zölle sollen entfallen. Die EU-Kommission schätzt, dass das Abkommen die jährlichen EU-Exporte nach Südamerika um bis zu 39 Prozent (49 Milliarden Euro) steigern kann und damit mehr als 440.000 Arbeitsplätze in ganz Europa unterstützt.
Das Abkommen umfasst aber auch Regelungen zu geistigem Eigentum, Nachhaltigkeit, öffentlichen Ausschreibungen und politischer Zusammenarbeit.
Trump'sche Zoll-Politik hat Verhandlungen zuletzt begünstigt
Gerade wegen der Politik von US-Präsident Donald Trump, der die Welt mit Strafzöllen überzieht, gilt der Deal als geostrategisch wichtig. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem "Meilenstein", der die Position der EU als "größten Handelsblock der Welt zementieren" werde. "Das Abkommen geht weit über Handelsfragen hinaus", betonte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. "Es ist ein Beispiel für das Engagement der EU, Allianzen zu schmieden, die beide Seiten stärken."
Kritik am Freihandelsabkommen wohl so gut wie abgeräumt
Um bisher kritische Mitgliedsstaaten zur Zustimmung zu bewegen, verwies die Kommission auf "robuste Schutzmaßnahmen" für europäische Bauern. So verpflichtet sich die Kommission, im Falle negativer Auswirkungen von Importen bestimmter landwirtschaftlicher Produkte wie Rindfleisch, Geflügel, Zucker oder Ethanol zu intervenieren. Zudem wurde ein zusätzlicher Rechtsakt angekündigt, in dem Aktivierung und Kontrolle der Schutzmaßnahmen detailliert geklärt werden soll.
Kritiker aus Politik und Zivilgesellschaft warnten zuletzt vor negativen Folgen für Umwelt und Menschenrechte. Sie erwarten, dass das Abkommen Entwaldung in Südamerika begünstigen und europäische Standards untergraben könnte. Besonders Frankreich, Österreich, Belgien und die Niederlande äußerten wiederholt Bedenken. Auch der Bayerische Bauernverband forderte jüngst einen Stopp der Verhandlungen. Paris und Warschau deuten nun aber Einlenken an. Österreich will seine ablehnende Haltung zum Freihandelsabkommen Mercosur erneut prüfen.
Deutsche Wirtschaft pocht auf baldige Ratifizierung
EU-Handelskommissar Maros Sefcovic sagte, er hoffe auf einen Abschluss des Ratifizierungsprozesses "bis Ende dieses Jahres". Auch der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD), sprach sich für einen "baldigen" Abschluss aus.
Deutsche Wirtschaftsverbände forderten ebenfalls eine schnelle Ratifizierung durch Rat und Parlament. Das Abkommen müsse "so schnell wie möglich in Kraft treten", forderte etwa Oliver Richtberg vom Verband der Maschinen- und Anlagenbauer. Auch die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller, forderte eine "rasche" Billigung noch in diesem Jahr. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen, sprach von einer "historischen Chance", im südamerikanischen Markt als gleichberechtigter Partner aufzutreten.
Wie geht es nun weiter?
Der Ball liegt nun im Feld des Rats der Europäischen Union. Dort entscheiden die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit: Mindestens 15 von 27 Ländern, die zugleich mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, müssen zustimmen. Einstimmigkeit ist nicht erforderlich.
Im Anschluss muss auch das Europäische Parlament der Vereinbarung zustimmen. Da es sich jedoch um ein sogenanntes "gemischtes Abkommen" handelt, das neben Handelsfragen auch politische Aspekte wie Menschenrechte und Umweltstandards enthält, ist grundsätzlich auch die Ratifizierung durch alle nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten notwendig.
Mit Informationen von AFP und Reuters
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