Die Liste der Unterzeichnerstaaten liest sich wie eine Aufzählung deutscher Partnerländer weltweit: Großbritannien, Kanada, Japan und zahlreiche EU-Staaten, darunter Frankreich, Italien, Spanien und Österreich, haben eine gemeinsame außenpolitische Position formuliert und in sehr klare Worte gefasst. Deutschland hat nicht unterschrieben, denn es geht um Israel.
Die Erklärung kritisiert das Vorgehen der israelischen Armee im Gaza-Streifen scharf, verurteilt die unzureichende Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung mit Hilfsgütern, bei der immer wieder Menschen erschossen werden, die verzweifelt versuchen, Lebensmittel zu bekommen. Vor diesem Hintergrund fordern die Unterzeichnerstaaten ein sofortiges Ende der Kämpfe, sprechen von Blutvergießen, das keinem Zweck diene. Von der Hamas verlangen sie die unverzügliche Freilassung der israelischen Geiseln.
Deutschland teilt die Lageeinschätzung
Die humanitäre Lage in dem Kriegsgebiet wird immer katastrophaler. Das sieht auch Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) so. Er sagte das seinem israelischen Amtskollegen Gideon Saar auch am Telefon. Zuvor hatte schon Wadephuls Parteifreund und Bundeskanzler Friedrich Merz Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wissen lassen, dass er dessen Gaza-Politik nicht teilt. Das Vorgehen der israelischen Armee dort ist aus Sicht des deutschen Kanzlers nicht akzeptabel.
Die Aussagen von Wadephul und Merz klingen nach inhaltlicher Übereinstimmung mit der aktuellen Erklärung zahlreicher Staaten. Dass die Bundesregierung sich dennoch nicht angeschlossen hat, liegt offenbar daran, dass Berlin im Umgang mit der israelischen Regierung weiter auf direkte Gespräche setzt und den Partner nicht durch die Unterstützung einer offiziellen Erklärung verprellen will. Diese Strategie verfolgt die Bundesregierung schon länger. Sie hat bisher noch zu keinem erkennbaren Erfolg geführt – obwohl die Tonart verschärft wurde.
Deutliche deutsche Kritik bisher folgenlos
Am 26. Mai wurde der Kanzler erstmals richtig deutlich. Er verstehe "offen gestanden nicht mehr, mit welchem Ziel" Israels Armee im Gaza-Streifen vorgehe, sagte Friedrich Merz. Die Zivilbevölkerung "derart in Mitleidenschaft zu nehmen", lasse sich nicht mehr mit einem Kampf gegen den Terrorismus der Hamas begründen, betonte der Bundeskanzler.
Außenminister Wadephul legte wenige Tage später nach und dachte in einem Zeitungsinterview laut darüber nach, grünes Licht für deutsche Waffenexporte nach Israel auch davon abhängig zu machen, ob durch das Vorgehen im Gazastreifen Völkerrecht gebrochen werde. Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, erklärte damals, man nehme die Kritik deutscher Regierungsvertreter ernst. Eine erkennbare Verbesserung der Lage der Zivilbevölkerung ist nach Einschätzung von Hilfsorganisationen allerdings nicht eingetreten.
Gefahr außenpolitischer Isolation
Dass die Bundesregierung im Umgang mit Israel weiter auf direkte Kontakte setzt, hat mit den besonderen Beziehungen beider Länder zu tun, ist durch die historische Verantwortung Deutschlands für Israels Sicherheit begründet. Doch das Durchhalten dieser Strategie wird für die Regierung Merz zunehmend schwieriger. Umfragen zeigen, dass die deutsche Bevölkerung das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen mehrheitlich ablehnt. Aus der Opposition und auch von Teilen der SPD kommen Forderungen nach einem vollständigen oder teilweisen Stopp von Rüstungsexporten.
Viele Partnerländer drängen Deutschland zu einem Strategiewechsel. Einige EU-Staaten wollen die Aussetzung eines Partnerschaftsabkommens mit Israel. Deutschland lehnt das ab und könnte mit seiner Position bald relativ isoliert sein. Wenn die Kämpfe im Gaza-Streifen weitergehen und sich die Lage der Zivilbevölkerung nicht verbessert, wird der Druck auf die Bundesregierung nicht nachlassen.
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