Der schnelle Vormarsch von Rebellen im Nordwesten Syriens setzt Präsident Baschar al-Assad unter Druck. Nun will der von Russland und Iran unterstützte Machthaber wieder die Oberhand gewinnen: Mithilfe seiner Verbündeten und Freunde sei Syrien in der Lage, die Attacken zurückzuschlagen, sagte Assad dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Mohammed bin Sajid Al Nahjan, nach Angaben der staatlichen Rundfunkbehörde. Im Laufe des Tages werde der iranische Außenminister Abbas Araghtschi in Damaskus erwartet, um die Lage in Aleppo zu besprechen, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Irna.
- Zu tagesschau.de: "Auch Assad ist massiv geschwächt"
Armee kündigt Gegenoffensive an
Am Samstag brachte eine Rebellenallianz fast ganz Aleppo im Norden unter ihre Kontrolle. Die syrische Armee bestätigte, dass die Dschihadisten in "große Teile" von Aleppo einmarschierten. "Dutzende Männer unserer Streitkräfte wurden getötet", hieß es. Die Armee teilte weiter mit, sie werde bald eine Gegenoffensive beginnen.
Seit Mittwoch waren die Aufständischen aus der nordwestlichen Provinz Idlib immer weiter in Gebiete vorgestoßen, die von der syrischen Armee kontrolliert wurden. Angeführt wird die Offensive von der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS). Sie gilt als Nachfolger der Al-Nusra-Front, eines früheren Ablegers von Al-Kaida in Syrien.
BR-Recherchen: Deutscher HTS-Dschihadist auch in Aleppo dabei
Dschihadisten aus Deutschland waren einst nach Syrien ausgereist, um sich der HTS bzw. einer ihrer Untergruppen anzuschließen. Einer dieser Ausgereisten ist nach BR-Recherchen auch in Aleppo dabei - und feiert den Siegeszug der Islamisten. Davon zeugen Posts im Messengerdienst Telegram. Ob noch weitere Kämpfer mit Deutschlandbezug dabei sind, ist bisher unklar. Auch Kämpfer aus Bayern bewegen sich seit Jahren nach Erkenntnissen deutscher Sicherheitsbehörden im Umfeld der HTS. In deutschsprachigen Propaganda-Kanälen ist die Freude über den Einmarsch in Aleppo groß.
Nach Angaben von Terrorismusexperten und Sicherheitsbehörden in den USA und Australien änderte die Gruppe 2016 ihren Namen und brach mit Al-Kaida. Trotz ihrer öffentlichen Abspaltung von Al-Kaida verfolge HTS eine salafistisch-dschihadistische Ideologie, schreibt die US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS).
Russische Luftschläge gegen Stellungen der Rebellen
Angesichts der neuesten Eskalation griff Russlands Militär am Samstag ins Kriegsgeschehen ein und attackierte Rebelleneinheiten mit Kampfflugzeugen. Dabei seien rund 300 Kämpfer getötet worden, sagte Oleg Ignasjuk, stellvertretender Leiter der russischen Mission in Syrien. Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichteten, russische Kampfflugzeuge hätten neun Angriffe auf Orte in der Provinz Idlib ausgeführt. Auch die syrische Armee griff demnach Ziele aus der Luft an. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Russland hat die syrische Regierung seit 2015 im Bürgerkrieg massiv militärisch unterstützt. Moskau hat Kampfbomber und Hubschrauber auf dem Flughafen Hmeimim stationiert sowie ein Truppenkontingent in der Hafenstadt Tartus.
USA: Haben nichts mit der Offensive zu tun
Die US-Regierung führt die Verwundbarkeit des syrischen Machtapparats auf die Abhängigkeit von Russland und dem Iran zurück - und auf die Weigerung Assads, sich auf einen politischen Prozess zur Beendigung des Krieges einzulassen. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, Sean Savett, erklärte zugleich, dass die USA mit der Offensive nichts zu tun hätten.
Aleppo: Stadt mit Symbolwert
In Aleppo lieferten sich bereits in den ersten Jahren des Bürgerkriegs Rebellengruppen und Truppen der Regierung sowie deren Verbündete schwere Gefechte. Russland und Iran halfen den Regierungstruppen 2016, ganz Aleppo wieder unter ihre Kontrolle zu bringen.
Angesichts einer erwarteten Gegenoffensive befürchtet der Nahost-Experte Daniel Gerlach, dass ein erneuter Kampf um Aleppo sehr viele Menschenleben kosten werde. Er hält es für möglich, dass die Regierung wieder die Oberhand gewinnt. Zwar seien Iran und Russland geschwächt, beziehungsweise hätten nicht die Kapazitäten wie zuvor. Trotzdem verfüge die syrische Regierung über Einheiten, die in der Lage seien, Häuserkämpfe zu führen.
Bereits mehr als 300 Tote seit Beginn der Offensive
Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden seit Beginn der Rebellenoffensive am Mittwoch mindestens 327 Menschen getötet, darunter auch Zivilisten. Der Krieg in Syrien war nie vorbei, auch wenn die Kämpfe zwischenzeitlich abgeflaut waren. Jetzt erlebt er wieder eine heiße Phase – mit offenem Ausgang und viel Leid in der Zivilbevölkerung. Bereits jetzt sind Tausende Menschen auf der Flucht vor den Kämpfen.
Mit Informationen von dpa und AFP
Zum Audio: Syriens Präsident Baschar al-Assad unter Druck
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