Sollen die nach deutschen Städten benannten historischen Namen der Berghütten gegen neue und "zeitgemäßere" getauscht werden?
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Hütte mit Doppelnamen im Rosengarten in Südtirol
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Hütte mit Doppelnamen im Rosengarten in Südtirol

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Streit um Hüttennamen in Südtirol

Streit um Hüttennamen in Südtirol

Ein "Denkanstoß" in der Zeitschrift des Südtiroler Alpenvereins hat einen veritablen Kulturkampf ausgelöst: Sollen die nach deutschen Städten benannten historischen Namen der Berghütten gegen neue und "zeitgemäßere" getauscht werden?

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

Mit diesem Echo hat Ingrid Beikircher, Vizepräsidentin des Alpenvereins Südtirol (AVS) und Chefredakteurin des Alpenvereinsmagazins "Berge erleben" nicht gerechnet: Wie Donnerhall schallt ihr die Kritik entgegen, nachdem sie in einem "Denkanstoß" die Umbenennung der Schutzhütten in Südtirol angeregt hat. Sie "sollten nach dem Standort, der Gegend oder der alpinen Lage benannt werden. Das wäre dann auch mit der italienischen Übersetzung stimmig". Tatsächlich tragen die Schutzhütten in Südtirol oft zwei oder drei Namen, die aus der wechselhaften politischen Geschichte der Region herrühren.

Erschließung der Ostalpen

Begonnen hat diese Geschichte mit der vom damaligen Deutschen und Österreichischen Alpenverein (DÖAV) ausgelösten touristischen Erschließung, die sich vor allem in den Jahren 1880 bis 1910 explosionsartig über die gesamten Ostalpen ausgebreitet hat. Grundlegend war das Prinzip der Sektionen des Alpenvereins, die in voneinander unabhängigen Arbeitsgebieten Wege angelegt und Hütten gebaut haben. Die Namen der Hütten wurden nach der Herkunft der jeweiligen Sektion vergeben, so existiert beispielsweise eine Regensburger Hütte in der Geislergruppe in den Dolomiten oder die Kölner Hütte im Rosengartenmassiv in Südtirol.

Krieg und Politik treffen die Berghütten

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und der Auflösung des Habsburgerreichs 1918 gehen 78 Hütten in Südtirol und dem Trentino vom DÖAV an Italien über. Deutsche Sektionen, die ihre Hütten verloren haben, bauen sich teilweise neue, wie die Alpenvereinssektion Regensburg mit der Neuen Regensburger Hütte in den Stubaier Alpen.

Mit der Machtübernahme der Faschisten unter Mussolini erhalten die italienischen Hütten genauso wie Ortschaften und sonstige Gebietsbezeichnungen italienische Namen, die mit den ursprünglichen nichts mehr zu tun haben. So wurde beispielsweise die Kölner Hütte nach einem im Weltkrieg gefallenen Alpenvereinsvorsitzenden in Rifugio Aleardo Fronza alle Coronelle umbenannt und behielt in der Folge beide Namen. 1999 wurden 25 ehemalige DÖAV-Hütten schließlich von der Provinz Südtirol übernommen. Um diese Hütten dreht sich jetzt die Debatte.

Ist eine Umbenennung "folgerichtig und zeitgemäß"?

Die Hütten sollten "folgerichtig" einen ortsbezogenen neuen Namen erhalten, schlägt die AVS-Vizepräsidentin vor. Die derzeitige Situation führe außerdem zu Verwechslungen und Verwirrung, während eine klare geografische Bezeichnung unmissverständlich wäre.

Heftige Gegenwehr kommt nun vor allem von einigen Politikern und dem Südtiroler Heimatbund (SHB). Eine Umbenennung würde die geschichtliche Verwurzelung vieler Hüttenbezeichnungen leichtfertig kappen. "Namen wie Regensburger Hütte sind Ausdruck der alpinen Erschließungsgeschichte und Teil unserer kulturellen Identität", so der SHB. "Ein grotesker Widerspruch" sei, dass gleichzeitig Hüttennamen wie der des faschistischen Fliegeroffiziers Antonio Locatelli für die Drei-Zinnen-Hütte nicht diskutiert würden, führt SHB auf seiner Webseite weiter aus.

Während der AVS bemerkt, dass neue ortsbezogene Namen "das Wanderland Südtirol als alpine Destination noch mehr unterstreichen" würden, reagierte ein führender Politiker der konservativen Südtiroler Volkspartei SVP in der Tageszeitung "Dolomiten" mit dem Argument, die Namen stellten historische Denkmale der Geschichte des Alpinismus in Südtirol dar. Eine Umbenennung würde eine Abkopplung vom deutsch-österreichischen Kulturraum bedeuten.

Deutscher Alpenverein hält sich raus

Der nach dem Zweiten Weltkrieg 1950 wiedergegründete Deutsche Alpenverein DAV will sich in die Debatte, die in den vergangenen Tagen immer hitziger wurde, nicht einmischen. Auf Nachfrage von BR24 erklärt DAV-Präsident Roland Stierle, dass es sich um eine Südtiroler Angelegenheit handele, in der der DAV neutral sei. Es sei gutes Recht des AVS, Anregungen zu geben, die der DAV auch nicht gegen sich gerichtet sehe.

Grundsätzlich bestehe Klarheit, dass das Namensrecht dem Eigentümer, also dem Land Südtirol zusteht, dem die betroffenen Hütten gehören. Tatsächlich ruft die hitzige Debatte auf eine eindringliche Weise die wechselvolle Geschichte der Berghütten in Südtirol in Erinnerung und zeigt, wie viel Emotionen in der Namensfrage stecken.

Hinweis der Redaktion: Wir haben auf die Kritik aus den Kommentaren hin, den missverständlichen Titel des Beitrags korrigiert. In der aktuellen Debatte geht es um die Änderung der historischen, von den Alpenvereinssektionen stammenden Namen in Namen, die ortstypisch sind. Hier geht es nicht um eine Ersetzung des Deutschen durch das Italienische, sondern um eine vereinheitlichende Namensgebung in beiden, bzw. in den ladinischen Regionen sogar drei Sprachen.

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