Im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist man bereit. In Syrien hat sich durch den Zusammenbruch des Assad-Regimes aus Sicht des für Entwicklungshilfe zuständigen deutschen Ministeriums ein "Zeitfenster geöffnet, in dem positive Entwicklungen möglich sind und gefördert werden können". Das Entwicklungsministerium hat nach eigenen Angaben bereits langjährige Kontakte und Erfahrungen in Syrien. Entwicklungshilfe und vor allem humanitäre Hilfe können sicherlich wesentlicher Teil einer ersten deutschen Unterstützung der neuen syrischen Führung sein.
Lageeinschätzung schwierig
Doch um über Wiederaufbau und mögliche deutsche Hilfe dabei reden zu können, muss erst deutlicher werden, mit welcher Art von Führung man es in Damaskus zu tun hat. Vor Beginn eines Wiederaufbaus müssen die nötigen politischen Bedingungen vorliegen. So steht es im Acht-Punkte-Plan aus dem Auswärtigen Amt. Schaffen muss diese Bedingungen aber nicht nur die Übergangsregierung in Damaskus. Es müssen auch die vom Westen verhängten Sanktionen aufgehoben werden. So sieht es der Plan aus dem deutschen Außenministerium vor und hier kann Deutschland Einfluss auf seine internationalen Partner nehmen.
Deutschland muss europäischen Schulterschluss suchen
Von einem ersten großen Aufatmen in Syrien sprach Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, nun am Rande eines Treffens mit europäischen Amtskollegen und der neuen EU-Außenbeauftragten. Baerbock fuhr fort, damit aus dem Aufatmen ein "Freiheitsatem" werde, brauche es viele große Schritte und es lägen viele Steine auf dem Weg. Durch einen geschlossenen Umgang mit der neuen Syrien-Lage könnte Europa seine Einflussmöglichkeiten erhöhen. Es müsse eine gemeinsame europäische Position erarbeitet werden, verlangt der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter. Es sei völlig unklar, wie es in Syrien weitergehe, wie moderat die neue Führung sei und wie es um Minderheiten und Religionsgruppen stehe, sagte Kiesewetter BR24.
Breite diplomatische Allianz
Deutschland kann seinen politischen Einfluss nutzen, um auf Israel und die Türkei einzuwirken, die, wie der CDU-Außenpolitiker Kiesewetter es formuliert, gerade dabei seien, die Region umzugestalten. Er schlägt vor, auf die Türkei diplomatisch einzuwirken. Es sei wichtig, dass diese aufhöre, Nordsyrien anzugreifen und gegen kurdische Kräfte und die Zivilbevölkerung vorzugehen. Kiesewetter verlangt auch deutsche Wiederaufbauhilfe für Syrien an eine Bedingung zu knüpfen: den Rückzug der russischen Truppen aus Syrien. Der Acht-Punkte-Plan des Auswärtigen Amtes sieht eine diplomatische Einbindung arabischer Staaten und eine friedliche Machtübergabe in Syrien unter Aufsicht der Vereinten Nationen vor.
Sicherheitspolitik in der Region
Deutschland könnte in Syrien kurz- bis mittelfristig Entwicklungshilfe leisten und langfristig beim Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen unterstützen – falls das Land einen Weg in Richtung von Demokratie und freien Wahlen einschlägt, wie es sich die Bundesaußenministerin in ihrem Acht-Punkte-Plan wünscht. Sicherheitspolitisch liegen Deutschlands Möglichkeiten eher in der Region als in Syrien selbst. Die Bundeswehr betreibt bereits Auslandseinsätze im Irak und in Jordanien. Eine Ausweitung dieser Mandate, wie von Verteidigungsminister Pistorius vorgeschlagen, könnte einen Beitrag zur Sicherheit in der Region leisten. Zu dieser beitragen, kann auch eine Fortsetzung der Bundeswehr-Beteiligung an der UNIFIl-Mission der Vereinten Nationen im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon.
Im Video: Syrien - Blick in eine ungewisse Zukunft
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