Vor dem Hintergrund erfolgloser Friedensbemühungen und fortwährender russischer Angriffe auf ukrainische Städte hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) betont, dass Deutschland die Ukraine dauerhaft militärisch unterstützen wird. Laut Merz kann sich das angegriffene Land nun auch anders zur Wehr setzen – und weitreichender.
Merz: "Keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr"
"Es gibt keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind – weder von den Briten, noch von den Franzosen, noch von uns, von den Amerikanern auch nicht", sagte der CDU-Politiker beim "WDR Europaforum 2025" auf der Digitalkonferenz re:publica in Berlin. Es war zunächst nicht klar, ob Merz’ Äußerungen einen neuen Sachstand darstellen oder ob er auf die seit letztem Herbst bekannten Einsätze westlicher Raketen gegen russisches Gebiet abhebt.
Merz sagte, die Ukraine könne sich jetzt auch verteidigen, indem sie zum Beispiel militärische Stellungen in Russland angreife. Das habe sie bis vor einiger Zeit nicht gekonnt. Details nannte der Bundeskanzler nicht. Im November hatte es erste Berichte gegeben, dass die Ukraine weitreichende Raketen vom Typ ATACMS aus US-Produktion und britische Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow auf Militärziele in Russland abgefeuert hatte.
Andere Staaten liefern längst Marschflugkörper
Zu Anfang des russischen Angriffskrieges hatte der Westen der Ukraine keine weiter reichenden Waffen geliefert, um eine Eskalation des Konflikts zu verhindern. Inzwischen haben Großbritannien und Frankreich Kiew mit Marschflugkörpern vom Typ Storm Shadow/Scalp beliefert.
In Deutschland läuft seit langem die Diskussion um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern mit einer Reichweite von 500 Kilometern. Dieser Waffentyp kam in dem Gespräch mit Merz nicht explizit zur Sprache. Sollte Deutschland der Ukraine nicht doch zeitnah Taurus-Marschflugkörper liefern, würde die Ankündigung von Merz zunächst wenig ändern. Die größte Reichweite von Waffen, die Deutschland bisher geliefert hat, liegt mit 84 Kilometern beim Raketenwerfer Mars II.
Merz: Putin versteht Gesprächsangebot wohl als Schwäche
Russland greife rücksichtslos zivile Ziele an und bombardiere Städte, sagte Merz zudem. Das tue die Ukraine nicht, das solle auch so bleiben. "Aber ein Land, das sich nur im eigenen Territorium einem Angreifer entgegenstellen kann, verteidigt sich nicht ausreichend."
Russlands Präsident Wladimir Putin verstehe offensichtlich Gesprächsangebote als Schwäche, sagte Merz mit Blick auf die Bemühungen des Westens der vergangenen Wochen. "Den Vorwurf, nicht alle diplomatischen Mittel ausgeschöpft zu haben, die es gibt, den kann uns nun niemand ernsthaft mehr machen."
Kritik vom Koalitionspartner
Die von Merz angekündigte Aufhebung der Beschränkungen sorgt für Kritik in der SPD. Der sozialdemokratische Außenpolitiker Ralf Stegner nannte den Schritt "nicht hilfreich". Alles, was den Krieg ausweite, sei falsch, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Ich finde es vielmehr richtig, die diplomatischen Bemühungen zu verstärken."
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Agnieszka Brugger, begrüßte die Ankündigung des Kanzlers dagegen. "Wladimir Putin bombt mit neuer Grausamkeit gerade jegliche Friedensbemühungen und Gesprächsangebote in Grund und Boden. Es wäre ein Fehler, dies tatenlos hinzunehmen", sagte sie.
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, begrüßte Merz Ankündigung zwar, rief im Gespräch mit dem BR aber zu mehr Zurückhaltung auf. Russland dürfe nicht aus der Zeitung erfahren, welche Waffen Kiew zur Verfügung stünden. Die Verhandlungen darüber dürften nicht auf offener Bühne stattfinden. Zu der SPD-Kritik an dem Kurswechsel sagte Hardt, die gemeinsame Linie sei zwischen den Koalitionspartnern abgestimmt.
Kreml: "Ziemlich gefährliche Schritte"
Russland hat als Reaktion auf die Äußerung von Bundeskanzler Merz eine Aufhebung von Reichweitenbegrenzungen für westliche Waffen in der Ukraine kritisiert. Das seien "ziemlich gefährliche Entscheidungen, wenn es sie gegeben hat", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.
In den vergangenen Tagen hat das russische Militär zudem die wohl stärksten Drohnenangriffe seit Kriegsbeginn gegen ukrainische Städte gestartet. Anzeichen für ein Abrücken von den Maximalforderungen und die Suche nach einem Kompromiss sind auf russischer Seite nicht zu erkennen.
Im Video: Kreml übt Kritik an Merz
Russlands Außenminister Lawrow kritisierte Bundeskanzler Merz wegen seiner Äußerung zu Reichweiten von Waffen
Mit Informationen von dpa
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