Mitglieder der Mitte-Links-Partei D66 verfolgen die Ergebnisse der niederländischen Parlamentswahlen.
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Niederlande-Wahl: Das rechte Experiment ist (vorläufig) beendet

Niederlande-Wahl: Das rechte Experiment ist (vorläufig) beendet

Eine gute Nachricht für Deutschland: Berlin dürfte es nach der Wahl in den Niederlanden mit einer europafreundlicheren Regierung in Den Haag zu tun bekommen, die in Zukunft weniger mit sich selbst beschäftigt ist. Eine Analyse.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Die Wählerinnen und Wähler in den Niederlanden sind sich treu geblieben: Sie gelten als sehr wechselfreudig; die Mehrheit legt sich nach Angaben von Fachleuten erst kurz vor dem Gang in die Wahlkabine fest. Bei der Parlamentswahl vom Mittwoch haben sie der sozialliberalen Partei D66 unter ihrem Vorsitzenden Rob Jetten zu einem beispiellosen Triumph verholfen. Die D66 konnte ihre Stimmenzahl gegenüber der Wahl vom November 2023 fast verdreifachen.

Im Wahlkampf hatte sich Jetten als Gegenpart zum Rechtspopulisten Geert Wilders inszeniert, dessen PVV als stärkste Kraft in der zerbrochenen Regierung das härteste Asylrecht aller Zeiten einführen wollte. Wilders‘ PVV wurde abgestraft und büßte rund ein Drittel der Stimmen ein. Offensichtlich hatte eine Mehrheit genug vom Chaos der vergangenen zwei Jahre. Aber die Niederlande bleiben gespalten: Nach jüngsten Hochrechnungen liegen D66 und PVV mit jeweils 26 Sitzen in der zweiten Parlamentskammer gemeinsam in Führung.

Zusammenarbeit mit Wilders-Partei ausgeschlossen

Die anderen demokratischen Parteien haben eine Zusammenarbeit mit der Wilders-Partei ausgeschlossen. So dürfte es auf Jetten zulaufen, Gespräche über eine Koalition zu führen. Falls er es schafft, könnte der 38-Jährige jüngster Premierminister seit dem Zweiten Weltkrieg werden und der Erste, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt. Jetten hat mit einem optimistischen Wahlkampf gepunktet unter dem Motto: "Het kan wel" (Es ist möglich), was an Barack Obamas "Yes, we can" erinnert. Er versprach, sich für mehr Wohnungen und bessere Bildungsangebote einzusetzen.

Ein Koalitionspartner könnte die rechtsliberale Partei VVD des früheren Premiers und jetzigen Nato-Generalsekretärs Mark Rutte werden, die trotz ihrer Beteiligung an der Rechts-Regierung nur leicht verloren hat. Die Christdemokraten (CDA) sind unter ihrem Vorsitzenden Henri Bontenbal wieder auferstanden und gewannen 13 Sitze dazu. Das grün-linke Parteienbündnis konnte die Erwartungen nicht erfüllen, weshalb Frans Timmermans als Vorsitzender zurücktrat. Rechnerisch würde es für eine Koalition aus D66, VVD, CDA und Links-Grün reichen.

Geordnete Verhältnisse gewünscht

Dass die Wähler am Mittwoch Parteien der Mitte gestärkt haben, drückt ihren Wunsch nach Stabilität aus. Denn die Rechts-Koalition stand mehrmals kurz vor dem Aus und zerbrach im Sommer nach nicht einmal einem Jahr am Streit über das Asylrecht. Wilders konnte sich mit seinen Maximalforderungen nicht gegen die Koalitionspartner durchsetzen.

Das Bündnis war von Anfang an instabil: Außer der VVD verfügte keine Partei über Regierungserfahrung; die anderen hatten weniger das Wohl des gesamten Landes als die Interessen ihrer jeweiligen Klientel im Blick. Wilders saß auf Drängen der übrigen Koalitionspartner nicht im Kabinett, was es ihm leichter machte, ständig an der Regierung herumzunörgeln, in der Ministerinnen seiner Partei saßen.

Versprechen nicht eingelöst

Die Rechts-Koalition konnte ihre zwei großen Versprechen nicht einlösen. So scheiterte Wilders mit dem Anspruch, das härteste Asylrecht aller Zeiten einzuführen, nicht nur an seinen Koalitionspartnern, sondern auch an der EU. Brüssel erteilte Den Haags Wunsch, aus dem europäischen Asylrecht auszusteigen, eine Absage.

Auch die angekündigte breite Entlastung der niederländischen Landwirte blieb aus. Denn auch die Rechts-Regierung musste erkennen, dass die Belastungen für Böden und Grundwasser viel zu hoch sind. Das höchste Verwaltungsgericht des Landes hat die Politik schon vor Jahren dazu verdonnert, gegenzusteuern und EU-Grenzwerte einzuhalten.

Lehren für Berlin und Brüssel

Für Deutschland und Europa ist das niederländische Wahlergebnis aus zwei Gründen bemerkenswert: Nach den Worten von Wahlsieger Jetten zeigt das Resultat, dass Rechtspopulisten und extrem rechte Parteien zu schlagen sind – und zwar mit einem Wahlkampf, der auf mehr Europa und mehr Klimaschutz setzt. Wilders‘ PVV bleibt zwar stark und er selbst erklärte auf X, man sei entschlossener denn je. Aber das Rechtsaußen-Experiment in den Niederlanden scheint vorläufig gestoppt.

Am EU-Gipfeltisch könnte damit nach dem blassen Dick Schoof bald wieder ein handlungsfähiger Regierungschef aus den Niederlanden sitzen, der aktiv bei Ukraine-Hilfe und Migrationspolitik mitarbeitet. Für Deutschland sind die Niederlande wichtig – die fünftgrößte EU-Volkswirtschaft ist unser wichtigster Handelspartner innerhalb der Gemeinschaft. Berlin und Den Haag stehen sich traditionell in der Finanzpolitik nahe. Die Nachbarn traten lange gemeinsam für Schuldenabbau und sparsame Haushaltsführung ein. Möglicherweise knüpfen sie an diese Tradition an, wenn in Den Haag ein neuer Wind weht.

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