Das Finanzinstitut Euroclear (Archivbild, 17.10.2025)
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Russlands Milliarden: Warum sie für die Ukraine so wichtig sind

Russlands Milliarden: Warum sie für die Ukraine so wichtig sind

Beim bevorstehenden EU-Gipfel geht es für die Ukraine ums Ganze: Nutzen die Europäer das eingefrorene russische Vermögen tatsächlich zugunsten Kiews? Die Ukraine braucht das Geld dringend – sonst droht der finanzielle Kollaps.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Die Ukraine steht enorm unter Druck – militärisch, politisch und finanziell. Militärisch, weil Russland an der Frontlinie langsam, aber stetig vorrückt. Politisch, weil die USA massiv auf einen Deal für ein Ende der Kämpfe drängen. Finanziell, weil ohne neue Milliarden aus dem Ausland der Ukraine der Staatsbankrott droht.

Ein sogenanntes Reparationsdarlehen, gespeist aus den in Europa eingefrorenen russischen Milliarden, scheint der einzig greifbare Rettungsanker zu sein. Die Gelder der russischen Zentralbank - insgesamt umgerechnet rund 210 Milliarden Euro – lagern großenteils beim belgischen Finanzdienstleister Euroclear.

Sie sollen – so der Plan von Bundeskanzler Friedrich Merz – über die Europäische Kommission als Kredit an die Ukraine gehen. Damit würde die Regierung in Kiew in der Lage bleiben, den Staatshaushalt aufrechtzuerhalten und zumindest für die nächsten zwei Jahre für militärischen Nachschub zu sorgen. In der EU ist die Nutzung eingefrorenen russischen Vermögens umstritten, vor allem Belgien stellt sich dabei noch quer.

Keine Alternative in Sicht

Plausible Alternativen, an die nötigen Milliarden zu gelangen, sind für Kiew nicht in Sicht. Die Amerikaner, unter Donald Trumps Vorgänger Joe Biden die wichtigsten Unterstützer der Ukraine, haben ihre Hilfe weitgehend eingestellt. Trump ist nur noch bereit, Waffen zu liefern, die von den Europäern bezahlt werden. Die Europäer, ohnehin hoch verschuldet, lehnen es ab, zusätzliche Schulden aufzunehmen, um eigenes Geld in der notwendigen Höhe bereitzustellen.

Ist der allgemeine Optimismus, den Kanzler Merz bei den Ukraine-Gesprächen in Berlin verbreitet hat, berechtigt? Sprechen die Europäer mit einer Stimme, wenn es um die angekündigte Friedenstruppe für die Ukraine oder die Verwendung der russischen Milliarden zugunsten Kiews geht? Der Politikwissenschaftler Klemens Fischer von der Universität Köln ist skeptisch. "Es war ein Echoraum-Treffen", sagt er mit Blick auf diejenigen EU-Regierungschefs, die am Montagabend im Berliner Kanzleramt waren. "Die, die nicht überzeugt sind, waren nicht dabei", so Fischer. Den kritischen Teil der Europäer treffe Merz erst wieder beim Gipfel in Brüssel.

Enorme politische Signalwirkung

Das in Europa eingefrorenen russischen Vermögen als Kredit zu erhalten, wäre für die Ukraine nicht nur finanziell überlebenswichtig. Der Schritt hätte auch politisch enorme Signalwirkung – für Deutschland als EU-Führungsmacht, für die Europäer als wichtigste Unterstützer der Ukraine, damit auch für die Ukraine selbst.

"Es geht darum, ob wir den politischen Willen dazu aufbringen", sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen im ARD-Talk bei Caren Miosga. Die Trump-Regierung habe in ihren Gesprächen mit Moskau anvisiert, 100 Milliarden aus den russischen Vermögen über zwei amerikanische Investmentfonds für den Wiederaufbau in der Ukraine zu nutzen, so Röttgen. Jetzt müssten die Europäer beim EU-Gipfel am Donnerstag sagen: "Wir zeigen Euch mal, was europäische Souveränität ist."

Die Frage nach der Alternative

Der Politikwissenschaftler Nico Lange stellte bei Miosga die Frage: "Was ist die Alternative dazu?" Seine Antwort: Werde die Ukraine nicht durch die Europäer finanziell und militärisch stabilisiert, wären weitere Ukraine-Flüchtlinge die Folge – mit langfristig noch viel höheren Kosten für Europa.

Auch gegenüber Wladimir Putin wäre ein neuer Milliardenkredit für Kiew demnach ein wichtiges Signal: Die Ukraine wäre weiter in der Lage, sich zu verteidigen. Ohne den Einsatz der russischen Milliarden durch die Europäer würde Wolodymyr Selenskyj in eine noch schwächere Verhandlungsposition gebracht. Am Ende würden allein Washington und Moskau die Bedingungen für eine Friedenslösung diktieren.

Großes Risiko für Kanzler Merz

Das große Risiko der Merz-Strategie: Scheitert der EU-Gipfel in der Frage der russischen Milliarden, wären die Europäer blamiert – der begrenzte Erfolg der Berliner Ukraine-Gespräche wäre gleich wieder verpufft.

Bei allen juristischen Bedenken und der Angst Belgiens vor Moskaus Vergeltung: Der Einsatz der russischen Milliarden ist eine Art Lackmustest für die Handlungsfähigkeit Europas. Wird Europa wieder zum ernst zu nehmenden Verhandlungspartner? Funktioniert dieser Rettungsanker für die Ukraine? Der EU-Gipfel wird es zeigen.

Video: Merz und die russischen Milliarden

Kanzler Friedrich Merz
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Kanzler Friedrich Merz

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