Kind mit einem Smartphone in der Hand
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Symbolfoto für Smartphone-Nutzung bei Kindern
Bildrechte: picture alliance / photothek.de | Thomas Trutschel
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Smartphone-Sucht: Experiment mit Schülern in Österreich

Smartphone-Sucht: Experiment mit Schülern in Österreich

Smartphone-Sucht ist nach Meinung vieler Forscher die neue Volkskrankheit, die unsere Gesellschaft maßgeblich beeinflusst und verändert. Ein Experiment in Österreich hat nun plötzlichen Smartphone-Entzug bei Jugendlichen wissenschaftlich untersucht.

Der Psychologe, Oliver Scheibenbogen, vom Anton Proksch Institut in Wien, erforscht Suchterkrankungen. Früher ging es dabei vor allem um die Drogensucht. Dann wurde die Spielsucht immer wichtiger und mittlerweile drehe sich fast alles um die Smartphone-Sucht.

Vier bis fünf Stunden Smartphone-Nutzung pro Tag

Gerade bei jungen Menschen seien mindestens vier bis fünf Stunden Smartphone-Nutzung pro Tag zur Normalität geworden. Jungen spielen dabei oft Handyspiele, Mädchen sind gerne ausgiebig in sozialen Netzwerken unterwegs. Beliebt ist auch das sogenannte Binge-Watching, das Ansehen mehrerer Episoden einer Serie oder anderer Medieninhalte, ohne Unterbrechung. "Das Smartphone hat unter allen technischen Geräten eine Sonderstellung. Denn anders, als PCs, Laptops oder Spielkonsolen, ist das Smartphone immer in Griffnähe", sagt Scheibenbogen.

Ähnliche Prozesse im Gehirn wie bei Drogenabhängigkeit

"Es wirkt wie ein positiver Verstärker. Dopamin wird ausgeschüttet, das Belohnungszentrum wird aktiviert und aus der Gewohnheit kann eine Sucht werden", sagt Scheibenbogen. Im Gehirn laufen bei der Smartphone-Sucht ähnliche Prozesse ab, wie bei einer Drogensucht. "Wir haben jeweils einen kurzfristigen, positiven Effekt. Drogen und Smartphones wirken stimmungsaufhellend und entspannend und helfen gegen Langeweile. Doch dann kommt oft ein längerer negativer Effekt und um aus diesem negativen Gefühl herauszukommen, muss ich dann wieder das Smartphone benutzen oder Drogen nehmen", so der Psychologe. Jugendliche würden zudem soziale Kontakte vernachlässigen und sogar ein Stück weit verlernen.

Experiment in Österreich: Wie wirkt sich Smartphone-Entzug aus?

Der Psychologe hat zusammen mit dem Österreichischen Rundfunk (ORF) ein Experiment durchgeführt: Beobachtet wurden 69 Freiwillige verschiedenen Alters eines Oberstufengymnasiums in Gänserndorf bei Wien. Den Jugendlichen wurde drei Wochen lang das Smartphone weggenommen, um die Wirkung zu erforschen.

Eine erste Befragung zu Beginn des Experiments hat ergeben, dass knapp drei Viertel der Jugendlichen eine problematische Smartphone-Nutzung aufzeigten, in Richtung eines süchtigen Verhaltens. So kam es dann auch, dass viele Versuchsteilnehmer Entzugserscheinungen zeigten, kurz nachdem ihnen die Smartphones weggenommen wurden.

Entzugserscheinungen wie Kopfschmerzen und Schlafstörungen

In der ORF-Fernsehdokumentation zum Experiment berichten die Schüler von Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder psychischen Problemen. Die 16- bis 17-jährigen Mädchen und Jungen nutzten ihre Smartphones üblicherweise zwischen sechs und sechzehn Stunden pro Tag. Insgesamt zeigte etwa ein Drittel der Testteilnehmer solche Entzugserscheinungen.

Erwartbar für den Psychologen, Oliver Scheibenbogen: "Jedes Mal, wenn wir Gewohnheiten ändern und uns einer neuen Situation anpassen müssen, kann das Spannungen erzeugen und damit auch für Spannungs-Kopfschmerzen sorgen."

Mehr als ein Fünftel der Jugendlichen brach das Experiment ab

Der Versuch verlief für die Testteilnehmer sehr unterschiedlich.16 von 69 Jugendlichen hielten die drei Wochen ohne Smartphone nicht aus und brachen das Experiment vorzeitig ab. Andere kämpften sich durch, beklagten aber, wie kompliziert das Leben ohne Smartphone geworden sei.

Allerdings gab es auch einige Jugendliche, die Entspannung und Freiheit gespürt haben. Plötzlich gab es zum Beispiel mehr Gemeinschaft in den Schulpausen. Einzelne Testteilnehmer bedauerten es sogar, dass der Test nach drei Wochen zu Ende war.

Mehr Medienkompetenz, weniger Handynutzung

Für den Psychologen ist eine der wichtigsten Erkenntnisse, dass drei Wochen ohne Smartphone, bei rund einem Drittel der Jugendlichen für eine klare Verbesserung des psychischen Wohlbefindens gesorgt haben. Was also tun? Ganz auf ein Smartphone zu verzichten ist für die meisten, trotz der Positiveffekte, kaum denkbar. Scheibenbogen empfiehlt, sich verschiedene Strategien zu überlegen, wie zum Beispiel Nachrichtenmitteilungen auf dem Handy zu verbergen oder eine Armbanduhr zu tragen, um nicht wegen der Uhrzeit ständig aufs Smartphone zu schauen und dabei hängenzubleiben. "Es geht um Medienkompetenz und das bedeutet ein moderater Gebrauch des Handys", sagt Scheibenbogen.

Mit dem Blick auf andere Forschungen zur Handynutzung empfiehlt der Psychologe, dass Kinder unter 13 Jahren lieber kein eigenes Smartphone besitzen sollten.

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