"Veränderung beginnt mit uns" – unter diesem Motto will die SPD diskutieren, was in der Vergangenheit schiefgelaufen ist und was die Partei in Zukunft besser machen kann. Die Aufarbeitung des mit 16,4 Prozent historisch schlechten Wahlergebnisses der letzten Bundestagswahl dürfte dabei kontrovers ausfallen.
Ein Impulspapier der Grundwertekommission "Wie die Sozialdemokratie wieder Wahlen gewinnen kann" legt der SPD nahe, die Partei wieder besser in der Gesellschaft zu verankern, um das Versprechen einer besseren Zukunft für alle Menschen zu verkörpern. Interessant wird sein, wie der Noch- und sehr wahrscheinlich auch Wieder-Parteichef Lars Klingbeil diesen Parteitag übersteht. Für seine Zukunft ist dieser Parteitag jedenfalls richtungsweisend.
Der starke Mann der SPD: Lars Klingbeil
Erneuerung und Verjüngung hatte Klingbeil direkt nach der Bundestagswahl der SPD versprochen – und dieses Versprechen rigoros umgesetzt. Zum einen verschaffte sich der 44-jährige Parteichef eine Machtfülle, die ihresgleichen sucht. Klingbeil ist Vizekanzler, Finanzminister, SPD-Vorsitzender, ohne ihn geht in der Partei nahezu nichts mehr.
Er hat die Minister und Ministerinnen der SPD ausgesucht, ebenso die Staatssekretäre und Staatssekretärinnen. Fraktionschef Matthias Miersch ist von Klingbeil ausgewählt worden, den designierten Generalsekretär Tim Klüssendorf hat er auf diese Position gehoben.
Aussicht auf ein "ehrliches Ergebnis"
Mit der personellen Verjüngung der Amtsträger in der SPD hat sich Klingbeil aber nicht nur Freunde gemacht. Bei den Wahlen zum Parteivorsitz kann er daher im besten Fall mit einem "ehrlichen Ergebnis" rechnen – alles über 80 Prozent kann er als großen Erfolg verbuchen. Bei der letzten Wahl erreichte er 85,6 Prozent.
Der Chef der bayerischen Jusos, Benedict Lang, einer von 600 Delegierten auf dem Parteitag, fordert von Klingbeil, dass er nach den vergangenen Wochen zeigen müsse, "dass er über sein Netzwerk hinaus die ganze Partei mitnehmen will. Gleichzeitig Vizekanzler und Parteivorsitzender zu sein ist eine schwierige Konstellation, zumal auch Bärbel Bas Ministerin ist".
Die Frau an Klingbeils Seite: Bärbel Bas
Weniger Gedanken um ein gutes Wahlergebnis muss sich Bärbel Bas machen. Sie folgt Saskia Esken nach, ist sehr beliebt und eine Sozialdemokratin wie aus dem Bilderbuch: Ruhrpott, zweiter Bildungsweg, hemdsärmelig. Dass sie als Bundestagspräsidentin die zweithöchste Frau im Staat war, hat sie nie besonders betont, diese Bodenständigkeit trägt sie nun auch in ihr neues Amt: Als Arbeits- und Sozialministerin hat sie das SPD-Ministerium schlechthin zu führen, bislang – aus sozialdemokratischer Sicht – macht sie das tadellos. Auch wenn ihr die Mindestlohnkommission kurz vor dem Parteitag einen Strich durch die Rechnung gemacht hat und den Mindestlohn zunächst auf 13,90 Euro festsetzen will.
Das SPD-Mantra von 15 Euro Mindestlohn dürfte auf dem Parteitag in allen Ecken zu hören sein. Genau wie die Frage, wie es die Friedenspartei SPD mit dem Frieden generell halten will. Zuletzt hatte ein Manifest von etwa 100 SPD-Mitgliedern für Aufruhr gesorgt: Darin wird mehr Diplomatie gefordert und weniger Aufrüstung. Und eine Wiederannäherung an Russland. Unterzeichnet hatten es unter anderem die altgedienten SPDler Rolf Mützenich und Ralf Stegner.
Kanzleramt 2029 - das finale Ziel der SPD
Jenseits der existenziellen Fragen von Krieg und Frieden will die SPD künftig mit einer neuen, bürgernahen Sprache auftreten, ein neues Grundsatzprogramm soll in die Wege geleitet werden, das dann spätestens 2027 fertig sein soll. Auch hier mahnt Bayern-Juso-Chef Benedict Lang gegenüber BR24: "Die SPD muss zeigen, dass sie aus ihrer Wahlniederlage gelernt hat."
Die Erarbeitung eines Grundsatzprogramms dürfe keine Beschäftigungstherapie sein, so Lang – vor allem aber warnt er die Parteispitze davor, die Position der Partei nach der Regierung zu richten. Ein Spagat, der Klingbeil und Bas in den kommenden Jahren bevorsteht. Und der sich vertiefen wird, wenn Klingbeil irgendwann das Projekt "Lars 2029" startet. Es ist kein Geheimnis, dass der starke Mann in der SPD das Kanzleramt fest im Visier hat. Und zwar nicht als Vizekanzler.
Im Video: BR-Reporter Jan Zimmermann vom SPD-Parteitag zum Mindestlohn
BR-Reporter Jan Zimmermann zu SPD-Parteitag
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