Nach dem Nackenschlag für Parteichef Lars Klingbeil bei seiner Wiederwahl zum Parteichef standen am Samstag programmatische Aspekte im Mittelpunkt des SPD-Bundesparteitags in Berlin. Dabei konnten die Sozialdemokraten einen schweren Streit um die Option eines verpflichtenden Wehrdienstes nach den Plänen von Verteidigungsminister Boris Pistorius abwenden.
SPD wendet Streit um verpflichtenden Wehrdienst ab
Nach stundenlangen Krisengesprächen wurde nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ein Initiativantrag der Jusos abgeändert, der zunächst die Verankerung eines zwangsweisen Wehrdienstes im geplanten Gesetzentwurf abgelehnt hatte. Zur Abstimmung auf dem Parteitag steht nun die Formulierung: "Wir wollen keine aktivierbare gesetzliche Möglichkeit zur Heranziehung Wehrpflichtiger, bevor nicht alle Maßnahmen zur freiwilligen Steigerung ausgeschöpft sind. Maßnahmen zur Musterung, Erfassung und Wehrüberwachung wehrpflichtiger junger Männer wollen wir ermöglichen."
Die SPD bekennt sich demnach zu einem neuen Wehrdienst, "der auf Freiwilligkeit beruht und sich am schwedischen Wehrdienstmodell orientiert". Mit einer Steigerung der Attraktivität des Wehrdienstes solle der notwendige Aufwuchs der Reserve und der Bundeswehr insgesamt erreicht werden. Die Bundeswehr muss demnach eine Personalstärke von mindestens 60.000 zusätzlichen Männern und Frauen und 200.000 Reservistinnen und Reservisten erreichen.
Debatte um AfD-Verbot nimmt in SPD an Fahrt auf
Weiteres Thema beim Parteitag ist ein mögliches AfD-Verbot. Die SPD will die Debatte darüber vorantreiben. Zum Abschluss des Bundesparteitags in Berlin soll am Sonntag ein Antrag beschlossen werden, der sich für entsprechende Vorbereitungen einsetzt. "Jetzt ist die Zeit, dass die antragsberechtigten Verfassungsorgane die Voraussetzungen schaffen, um unverzüglich einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD stellen zu können", heißt es darin.
Die neue Parteichefin Bärbel Bas betonte bereits am Freitag: "Wir sollten jetzt wirklich sehr zügig klären, ob ausreichend Material vorliegt, um die Verfassungswidrigkeit der AfD durch das Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen." Wenn es diesen Nachweis gebe, "dann sind wir als SPD in der demokratischen Pflicht, alle Anstrengungen zu unternehmen, damit ein Verbotsantrag stattfinden kann".
Verabschiedung von Scholz und Esken
Zuvor hatten am Samstag Altkanzler Olaf Scholz und Ex-Parteichefin Saskia Esken zu den Delegierten gesprochen. Scholz will anders als andere frühere Kanzler nicht durch Provokationen auffallen, Esken geht nach eigenen Worten ohne Wehmut aus der Parteispitze. Scholz sagte seiner Partei zu, auch nach seiner Amtszeit sozialdemokratische Politik zu machen: "Ich habe vor, ein ehemaliger Kanzler zu sein, über den sich die SPD immer freut." Esken bedankte sich bei Scholz. "Du warst mein Kanzler, und wir haben eine Menge zusammen erreicht." Scholz habe ein warmes Herz und einen kühlen Kopf vor allem in stürmischen Zeiten.
Klingbeils Wiederwahl – nur "gekühlte Mütchen"?
Der Parteitag hatte zunächst noch unter dem Eindruck der Ohrfeige für Parteichef Lars Klingbeil bei dessen schwacher Wiederwahl am Freitag gestanden. Schatzmeister Dietmar Nietan kritisierte das Ergebnis und die Delegierten. "In der Anonymität einer geheimen Abstimmung das Mütchen zu kühlen, zeugt für mich nicht von Verantwortungsbewusstsein", sagte er am Rednerpult. Wenn man jemanden abstrafen wolle, dann solle man das sagen, "und dann muss man darüber diskutieren". Die Debatte am Freitagabend hatte die Parteitagsregie allerdings auf Delegierten-Antrag abgekürzt, rund 35 angekündigte Redebeiträge fielen weg.
Mit Informationen von dpa
Im Video: SPD-Parteitag um Stimmungsumschwung bemüht
BR-Korrespondentin Barbara Kostolnik zum SPD-Parteitag
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!