Istanbuler Streetfood-Stand, der von den türkischen Behörden geschlossen wurde.
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Tod von Hamburger Familie in Istanbul – Spurensuche geht weiter

Tod von Hamburger Familie in Istanbul – Spurensuche geht weiter

Nach dem Tod einer Hamburger Familie in Istanbul geht die Spurensuche weiter. Ursache könnten verdorbene Lebensmittel und ein Schädlingsbekämpfungsmittel sein. Präsident Erdogan betonte, dass die Ermittlungen in alle Richtungen fortgesetzt würden.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Nach dem mutmaßlich durch Vergiftung herbeigeführten Tod einer aus Deutschland angereisten vierköpfigen Familie in Istanbul läuft die Spurensuche in der Türkei weiter auf Hochtouren. Die Hamburger Familie hatte unter Übelkeit und Erbrechen gelitten – ihr Zustand verschlechterte sich zusehends. Im Abstand weniger Tage starben zunächst die drei und sechs Jahre alten Kinder, dann die Mutter und am Montag der Vater – nach mehreren Tagen auf der Intensivstation.

Todesursache weiter unklar

Erste Untersuchungen brachten noch keine Ergebnisse: "Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, was die Todesursache ist", so ein Sprecher der Gerichtsmedizin in türkischen Medien. Die Ermittlungen konzentrieren sich weiter auf Restaurants, Straßenhändler und das Hotel, in dem die Familie übernachtet hatte.

Gegessen hatte die Familie im europäischen Viertel Ortaköy. Unter anderem aufgrund zahlreicher Überwachungskameras konnte rekonstruiert werden, wo und was die Familie dort zu sich nahm.

Vier Haftbefehle erlassen

Am Montagabend wurden nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Haftbefehle gegen vier Verdächtige erlassen. Dabei handelt es sich um Verkäufer von Süßigkeiten, von gefüllten Muscheln, von einem Gericht aus gegrillten Lammdärmen (Kokoreç) sowie einen Besitzer eines Cafés. Ihnen wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Alle vier Personen sind Berichten zufolge vorbestraft.

Es wurden Lebensmittelproben genommen. Wie Anadolu unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft berichtete, gab es bei zwei der Proben keine Beanstandungen. Die Proben seien allerdings wenige Tage, nachdem die Familie dort gegessen hatte, entnommen worden. Einige Ergebnisse stünden noch aus. Ein Restaurant wurde von den Behörden geschlossen.

Vergiftungen durch Schädlingsbekämpfungsmittel?

Außerdem untersuchten die Ermittler das Hotel im europäischen Stadtteil Fatih, in dem die Familie übernachtete. In der Unterkunft wurden Trinkwasserproben entnommen. Die Ermittler gehen auch Hinweisen auf eine mögliche Vergiftung durch Chemikalien nach.

Das Hotel war in den Fokus geraten, nachdem zwei weitere Urlauber wegen Übelkeit und Erbrechen behandelt werden mussten. Ihr Zustand ist aber nicht kritisch. Das Hotel wurde geschlossen, die Gäste in andere Hotels verlegt.

Die Nachrichtenagentur DHA berichtete, nur Stunden vor den Vergiftungserscheinungen der Familie sei in einem Zimmer im Erdgeschoss ein Mittel ausgebracht worden, das gegen Bettwanzen und Kakerlaken eingesetzt wird. Laut dem Nachrichtenportal T24 besteht der Verdacht, dass die Substanz, die Aluminiumphosphid enthält, durch die Badezimmerlüftung in das Zimmer der Familie gelangt sein könnte.

Aluminiumphosphid [externer Link] ist ein sehr starkes Mittel, das in der Regel in der Landwirtschaft zum Einsatz kommt und bei Kontakt mit Wasser ein hochgiftiges Gas freisetzt. Laut der Zeitung "Milliyet" soll der Mitarbeiter des Schädlingsbekämpfungsunternehmens keine entsprechende Ausbildung für den Umgang mit dem Stoff gehabt haben.

Nicht der erste Fall nach dem Einsatz von Chemikalien

Was den Verdacht bestärkt, dass diese Chemikalie die Todesursache sein könnte, sind ähnliche Fälle aus der Vergangenheit: Vor einem Jahr starb eine Hamburger Studentin in Istanbul. Auch hier war man zunächst von einer Lebensmittelvergiftung ausgegangen, später gab es ebenfalls Hinweise auf ein Schädlingsbekämpfungsmittel. Vor zwei Jahren ereignete sich in Ankara ein ähnlicher Vorfall [externer Link auf Türkisch], bei dem ein Wohnhaus mit demselben Stoff behandelt wurde. Damals starben zwei Menschen, 13 wurden verletzt.

Aktueller Fall: Kinder und Mutter bereits beerdigt

Bei der toten Familie handelt es sich um deutsche Staatsbürger mit türkischen Wurzeln. Die Mutter und die Kinder wurden am Samstag in der westtürkischen Provinz Afyonkarahisar bestattet. Gesundheitsminister Kemal Memişoğlu kündigte an, dass auch geprüft werde, wie die Familie im Krankenhaus behandelt worden sei. "Ob es Mängel gibt, wird sich nach Abschluss der Untersuchung zeigen."

Erdogan: "Keine Toleranz für Nachlässigkeit"

In der Türkei werden Restaurants und Straßenverkäufer zwar kontrolliert, die Kontrolldichte ist Experten zufolge aber oft unzureichend. Auch die oppositionelle CHP prangerte die aus ihrer Sicht mangelnden Kontrollen an.

Die Regierung wiederum verwies darauf, dass 2025 in der ganzen Türkei mehr als 1,1 Millionen Lebensmittelkontrollen durchgeführt worden seien. Gegen 25.750 Betriebe seien wegen Verstößen Bußgelder verhängt worden. 495 Fälle wurden demnach an die Staatsanwaltschaft übergeben.

Präsident Recep Tayyip Erdogan, betonte, bei Lebensmitteln gebe es "keine Toleranz für Nachlässigkeit". Die Ermittlungen würden in alle Richtungen fortgesetzt.

Mit Informationen von dpa und AFP

Zum Audio: Gibt es politische Reaktionen auf den Tod der Familie?

Recep Tayyip Erdogan.
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Recep Tayyip Erdogan.

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