Die Vereinten Nationen haben erstmals für den Verwaltungsbezirk Gaza, in dem auch Gaza-Stadt liegt, den Zustand einer Hungersnot erklärt. Mehr als eine halbe Million Menschen in dem Gebiet in und um Gaza-Stadt (Gaza-Gouvernement), seien von der Hungersnot betroffen, teilten das Welternährungsprogramm (WFP) und andere UN-Organisationen mit.
UN geht von Ausbreitung der Hungersnot aus
Es werde davon ausgegangen, dass sich die Hungersnot in den kommenden Wochen auf die Gouvernements Deir al-Balah und Chan Junis ausbreite. Das WFP bezieht sich auf den Experten-Bericht "Food Security Phase Classification", der regelmäßig die Hungersituation in bestimmten Ländern und Gebieten analysiert.
Vorwurf: Israel lässt zu wenig Hilfslieferungen zu
Im Krieg gegen die Terrororganisation Hamas riegelt Israel den Gaza-Streifen ab. Laut den Vereinten Nationen lässt Israel viel zu wenige Lieferungen mit humanitären Gütern in den Gaza-Streifen zu. Das WFP veröffentlichte die Analyse zusammen mit dem Hilfswerk Unicef, der Weltgesundheitsorganisation und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation.
UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher kritisiert, dass sich Lebensmittel an den Grenzen stauten und appelliert an den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. "Lassen Sie uns Lebensmittel und andere Hilfsgüter ungehindert und in großem Umfang hineinbringen. Beenden Sie die Vergeltung."
Israel: Es gibt keine Hungernot
Israel widerspricht Aussagen, im Gaza-Streifen herrsche eine Hungersnot. Seit Kriegsbeginn seien mehr als 100.000 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen gelangt, teilt das Außenministerium mit. In den vergangenen Wochen seien die örtlichen Märkte sogar mit Grundnahrungsmitteln überschwemmt worden. Dies habe zu einem starken Preisverfall geführt.
Einstufung als Hungersnot – die Kriterien
Ein Gebiet wird als von Hungersnot betroffen eingestuft, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind: 1. 20 Prozent der Haushalte leiden unter extremem Nahrungsmittelmangel oder hungern praktisch. 2. Mindestens 30 Prozent der Kinder im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren leiden an akuter Unterernährung (gemessen an Gewicht und Größe); 15 Prozent dieser Altersgruppe leiden an akuter Unterernährung (gemessen am Oberarmumfang). 3. Mindestens zwei Menschen beziehungsweise vier Kinder unter fünf Jahren sterben täglich pro 10.000 Einwohner an Hunger oder der Kombination von Unterernährung und Krankheit.
Weil Israel den Zugang zum Gazastreifen stark einschränkt, wird die Datenerhebung erschwert. In einem separaten Bericht vom Freitag erklärte das Famine Review Committee (FRC), es sei ebenfalls zu dem Schluss gekommen, dass in Teilen des Küstengebiets eine Hungersnot herrsche. Das FRC ist eine Gruppe unabhängiger internationaler Experten für Ernährungssicherheit. Die Gruppe dient als zusätzliche Überprüfungsebene, wenn Daten auf eine mögliche Hungersnot hinweisen.
Lange Reihe von Aufforderungen an Israel
Bereits seit längerer Zeit appellieren Staaten und Organisationen an Israel, mehr humanitäre Hilfe zuzulassen. Vor zehn Tagen forderten unter anderem die EU und 26 Außenminister in einer gemeinsamen Erklärung unter anderem, Hilfsgüter ungehindert auf dem Landweg in den Gazastreifen zu lassen. Die humanitäre Krise dort habe "unvorstellbare Ausmaße" erreicht.
Mit Informationen von epd, AP und Reuters
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