Es war ein schwerer Unfall, der am Dienstag bei Wachenroth in Mittelfranken zu einer Vollsperrung der A3 geführt hat: Zwei zerstörte Autos, darunter ein Ferrari, und ein umgestürzter LKW. Zum Glück kam niemand ums Leben, die Polizei berichtete von vier Verletzten. Als während der Aufräumarbeiten wieder eine Fahrspur freigegeben wurde, entwickelte sich die Unfallstelle zum Gaffer-Magnet.
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Die Polizei entschied sich deswegen dazu, Schaulustige zu notieren und anzuzeigen. Mindestens 100 Euro und ein Punkt sind fällig. Aber: Sind Strafen fürs Gaffen bei uns zu niedrig und wie verhalte ich mich richtig an einer Unfallstelle?
Wo beginnt eigentlich Gaffen?
Wer Auto fährt, hat in der Regel auch schon mal Unfälle beobachtet oder musste an Unfallstellen vorbeifahren. Entscheidend ist zunächst, ob der Unfall gerade erst passiert ist – und dafür muss man zunächst hinschauen, sagt Jürgen Walter, Verkehrspsychologe, im "Bayern 3 Update". "Ich muss ja wissen, ob ich irgendwie erst mal erste Hilfe leisten muss. Aber wenn ich diesen Schreck verarbeitet habe und dann die Kamera zücke, dann ist es nicht mehr okay".
Gaffer behindern Einsatzkräfte und sorgen für Stau und Folgeunfälle
Schaulustige, die an einer Unfallstelle vorbeifahren, verlangsamen oft unnötig die Fahrt. Das kann bedeuten, dass Rettungskräfte später bei Unfallopfern ankommen. Im Stau kann es dadurch wegen Unachtsamkeiten aber auch zu Folgeunfällen kommen. "Für Verunglückte zählt jede Minute", darauf weist der Deutsche Verkehrssicherheitsrat hin. "Für die Unfallopfer endet das im schlimmsten Fall tödlich. Reanimationen oder die Versorgung stark blutender Wunden müssen schnellstmöglich erfolgen".
Wer Unfälle fotografiert oder filmt, setzt das also das Leben der Unfallopfer aufs Spiel und behindert die Einsatzkräfte. Neben unterlassener Hilfeleistung geht es beim Gaffen auch um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen – auch deswegen kann Gaffen rechtliche Konsequenzen haben.
"Strafen für Gaffer derzeit zu niedrig"
Die Strafen beginnen bei 100 Euro und einem Punkt für die unerlaubte Handynutzung am Steuer. Zur Straftat wird Gaffen, wenn man an einer Unfallstelle nicht hilft. Geregelt ist das im Strafgesetzbuch (StGB) in Paragraf 323c und sieht eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr vor.
Entscheidend hier: Unterlassene Hilfeleistung ist es auch, wenn man Helfer behindert. Unfallopfer zu fotografieren oder zu filmen ist ebenfalls strafbar und wird mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet. So regelt Paragraf 201a StGB die Verletzung von Persönlichkeitsrechten von Unfallopfern.
Nach der Meinung von Verkehrspsychologen Jürgen Walter sind "Strafen für Gaffer derzeit zu niedrig". Er schlägt deswegen vor, dass ein Gaffer zusätzlich zu einem Bußgeld "ein Wochenende in der Unfallklinik aushelfen muss". Auch einkommensabhängige Strafen hält er für sinnvoll.
Aus psychologischer Sicht fehle Gaffern vor allem der Perspektivwechsel, so Walter: "Ich kann ja auch selber mal Unfallopfer sein – und will ich dann, dass jemand mich im Schmerz und in Tränen und in Lebensgefahr vielleicht aufnimmt?"
Wie verhalte ich mich richtig an einer Unfallstelle?
Schon wenn der Verkehr auf der Autobahn beginnt zu stocken, muss eine Rettungsgasse gebildet werden – und zwar zwischen der ganz linken Fahrspur und den Fahrstreifen rechts daneben. Bei stockendem Verkehr deswegen, weil bei Stillstand und mangelndem Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug Ausweichen oft nicht mehr geht.
Ist die Unfallstelle noch ungesichert und keine Einsatzkräfte vor Ort, klären Sie, ob jemand Erste Hilfe (externer Link) benötigt. Gibt es keine Verletzten, oder ist bereits Hilfe eingetroffen, fahren Sie zügig am Unfallort vorbei – ohne Einsatzkräfte zu behindern. Und selbstverständlich: Keine Fotos oder Filme machen!
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