Bayerns Kultusministerin sah sich in ihrem Weg bestätigt: "Ich setze auf Freiwilligkeit. Ich möchte dazu motivieren, auch Stunden aufzustocken", sagte Anna Stolz (Freie Wähler) kürzlich zur Debatte über Lehrkräfte, die in Teilzeit arbeiten. Zum Start dieses Schuljahres hätten viele sich zu mehr Stunden bereiterklärt, auch deswegen sei die Unterrichtsversorgung gesichert. Vor dem nächsten Schuljahr werde sie sich wieder mit "den Schulfamilien zusammensetzen" und beraten.
Wer dachte, damit wäre die Debatte über Teilzeit bei Lehrern erstmal vorbei, täuschte sich: Nur eine Woche nach Schulstart kündigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an, die Teilzeitmöglichkeiten für Beamte doch gesetzlich einzuschränken. Lehrerverbände laufen Sturm: "Es grenzt an Vertrauensbruch, wenn nun trotz der in gemeinsamer Kraftanstrengung aufgefangenen Personallücke Zwangsmaßnahmen für alle folgen sollen", teilt der Philologenverband mit.
Wie argumentiert Söder?
Söder ist die hohe Teilzeitquote bei Lehrerinnen und Lehrern ein Dorn im Auge: "Bei Teilzeit haben wir in der Schule über 50 Prozent, in der Grundschule sogar über 60 Prozent Teilzeit." Für den Ministerpräsidenten ist es nicht nachvollziehbar, Quereinsteiger zu beschäftigen, "wenn man auf der anderen Seite eigentlich hervorragend geschultes Personal hat". Deswegen gelte es, bei der Teilzeit Signale zu setzen.
Wie steht es um Teilzeit bei Beamten in Bayern?
Nach Angaben des Finanzministeriums befinden sich 30,3 Prozent der 230.800 Beamtinnen und Beamten des Freistaats in Teilzeit. Bei den beamteten Lehrkräften ist es mit gut 46 Prozent etwas weniger als die Hälfte. Die höchste Teilzeitquote bei Lehrkräften in Deutschland hatte im vergangenen Schuljahr Hamburg mit 55 Prozent, die niedrigste Thüringen mit 23 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
Was sind Quereinsteiger?
Laut Stolz sind an staatlichen Schulen in Bayern zu 93 Prozent "voll ausgebildete Lehrkräfte im Einsatz". Quereinsteiger seien insbesondere an Mittelschulen nicht wegzudenken. Wichtig dabei für die Ministerin: "Quereinsteiger sind studierte Personen auf Masterniveau, die dann den zweijährigen Vorbereitungsdienst durchlaufen und damit auch pädagogisch nachqualifiziert werden."
Was plant Söder?
Die Staatsregierung wolle die Teilzeit nicht abschaffen, sie aber "im Dialog mit den Verbänden" schrittweise weiterentwickeln. Bisher können Beamte in eine "familienpolitische Teilzeit", solange ihre Kinder jünger als 18 Jahre sind. Künftig soll das laut Söder nur bei Kindern unter 15 Jahren möglich sein. Zudem werde die vorgeschriebene Mindestarbeitszeit angehoben.
Auf Nachfrage präzisierte Söder, dass man bei der familienpolitischen Teilzeit mindestens 30 Prozent einer vollen Stelle arbeiten solle. Somit wäre es ein Anstieg von acht auf mindestens zwölf Stunden pro Woche. Bei der "Antragsteilzeit" für alle anderen Beamten sollen dem Ministerpräsidenten zufolge "bis zu 50 Prozent" vorgeschrieben sein. Im Beamtengesetz steht schon jetzt, dass "auf Antrag die Arbeitszeit bis auf die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit" ermäßigt werden könne.
Wie viel arbeiten Beamten in Teilzeit?
Beamte in Antragsteilzeit arbeiten in Bayern durchschnittlich 78,3 Prozent einer vollen Stelle, bei Lehrkräften sind es 80,1 Prozent. Bei der Familienteilzeit sind die Arbeitszeiten mit durchschnittlich 59,4 beziehungsweise 57,7 Prozent kürzer.
Welche finanziellen Einsparungen eine Gesetzesänderung bringen könnte, ist laut Finanzministerium offen.
Was kritisieren Beamtenbund und Lehrerverbände?
Für Stolz war es nicht das erste Mal, dass Söder ihr öffentlich in die Parade fuhr. Sie bekräftigte daraufhin, weiter auf Dialog zu setzen. Am Unmut der Lehrerverbände ändert dies nichts. Realschullehrerverband-Chef Ulrich Babl beklagt, eine echte Diskussion und ein Ergebnis im Konsens "scheint nicht gewünscht zu sein". Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft spricht von einem "Schlag ins Gesicht".
Der Philologenverband warnt vor einem "Eigentor": Zum einen könne der Lehrerberuf unattraktiver werden, zum anderen könnten Lehrkräfte sich gezwungen sehen, "sich vollständig beurlauben zu lassen, um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu versorgen". Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband mahnt, erst einmal die Kinderbetreuung bedarfsgerecht auszubauen, bevor die Familienteilzeit gekürzt werde. Auch Bayerns Beamtenbund plädiert laut seinem Vorsitzenden Rainer Nachtigall dafür, "nicht ins Beamtenrecht einzugreifen", sondern auf freiwillige Lösungen zu setzen.
Wie reagiert die CSU auf die Kritik?
CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek weist Kritik an Söders Vorstoß zurück. Es sei notwendig, die Dinge klar gesetzlich zu regeln. Der Freistaat bleibe ein fürsorglicher Arbeitgeber. Aber die Zeiten seien schwieriger geworden, sagt Holetschek dem BR, deswegen müsse man "einfach mal nachjustieren".
Kommen die Änderungen sicher?
Die CSU wird noch Überzeugungsarbeit leisten müssen - nicht nur bei Verbänden, auch beim Koalitionspartner. Freie-Wähler Fraktionschef Florian Streibl ist skeptisch: "Das werden wir in der Fraktion und möglicherweise auch im Koalitionsausschuss noch einmal genau überlegen und erörtern müssen: wie weit man gehen kann und was wirklich Sinn macht", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Denn das wären schon deutliche Einschnitte für die Betroffenen."
Im Video: Teilzeit-Reform - Söder verprellt Lehrer
Mit seinem Vorstoß zu Einschnitten bei den Teilzeitmöglichkeiten für Beamte verärgert Ministerpräsident Söder die Lehrerverbände.
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