Archivbild (25.09.2025): Jens Spahn (CDU, M), CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, applaudiert im Bundestag.
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Archivbild (25.09.2025): Jens Spahn (CDU, M), CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, applaudiert im Bundestag.
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Archivbild (25.09.2025): Jens Spahn (CDU, M), CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, applaudiert im Bundestag.

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Vor der Rentenabstimmung: Die Bedeutung der Fraktionsdisziplin

Vor der Rentenabstimmung: Die Bedeutung der Fraktionsdisziplin

Am heutigen Freitag stimmt der Bundestag über das Rentenpaket der Regierung ab. Aus den Reihen der Union werden wohl einige dagegen stimmen – trotz Fraktionsdisziplin. Was es mit der Fraktionsdisziplin auf sich hat und wann sie aufgehoben ist.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio Infoblock am .

Die "Renten-Rebellen" von CDU/CSU haben die Schlagzeilen der letzten Wochen dominiert. Ihr Nein zum Rentenpaket der Regierungskoalition sorgte für Zweifel, dass das Gesetz durch den Bundestag kommt. Nachdem die Linke angekündigt hat, sich zu enthalten, dürfte eine Mehrheit zwar sicher sein. Aber sollte die schwarz-rote Koalition eine hohe Zahl an Abweichlern haben, dürfte das weiter für Ärger sorgen. Kanzler Friedrich Merz (CDU) und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) forderten eine eigene Mehrheit.

Die Rolle der Fraktionsdisziplin

Häufig fällt in diesem Zusammenhang der Begriff der Fraktionsdisziplin. Als Fraktionsdisziplin wird es bezeichnet, wenn Mitglieder einer Parlamentsfraktion sich bei Abstimmungen gemäß der Vorgabe der Fraktionsspitze verhalten sollen. Im Artikel 38 des Grundgesetzes heißt es über die Abgeordneten des Deutschen Bundestags zwar: "Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen."

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil bestätigt, dass Fraktionsdisziplin – etwa durch Appelle oder Überzeugungsarbeit in Gesprächen – legitim ist. Anders sieht es beim Fraktionszwang aus – in Form von übermäßigem Druck oder angedrohten Konsequenzen beispielsweise. Wo genau die Trennlinie zwischen Fraktionsdisziplin und Fraktionszwang liegt, ist nicht immer eindeutig.

Fraktionsdisziplin: Wie die Parteien vorgehen

Bei kritischen Themen – wie aktuell auch dem Rentenpaket – wird vor dem Votum im Bundestag häufig in der Fraktion abgestimmt, um ein Stimmungsbild zu erhalten. Die Fraktionsführung appelliert dann im Regelfall an die Abweichler, ihre Entscheidung zu überdenken. Eine große Rolle nehmen dabei die Fraktionsvorsitzenden ein.

Es gibt Gründe für die Fraktionsdisziplin: Abgeordnete werden als Vertreter einer Partei in den Bundestag gewählt, in den Fraktionen sitzen in der Regel Abgeordnete, die gleiche oder ähnliche Ansichten haben. Die Arbeitsfähigkeit der Regierung (und der Opposition) wird durch Fraktionsdisziplin sichergestellt, da die parlamentarische Arbeit berechenbar bleibt. Die Gefahr, dass Gesetzesvorhaben der Regierung an verfehlten Mehrheiten scheitern, ist gering. Fraktionen wollen handlungsfähig sein und nach außen Geschlossenheit zeigen.

In der Vergangenheit wurde die Fraktionsdisziplin häufig in Koalitionsverträgen verankert - ohne genau diesen Begriff zu wählen, stattdessen ist beispielsweise von "einheitlich abstimmen" die Rede.

Sanktionen gegen Abweichler?

Offizielle Sanktionsmöglichkeiten gegen Abweichler haben die Fraktionen nicht. Auch das ist gesetzlich geregelt, in Artikel 46 des Grundgesetzes: "Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung [...] gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden."

Inoffiziell ist es allerdings möglich, jenseits von Appellen Druck auf Abgeordnete auszuüben - indem Abweichlern beispielsweise damit gedroht wird, dass sie von Informationsflüssen abgeschnitten werden oder bei der Aufstellung der Listenplätze für die kommende Wahl mit Gegenwehr rechnen müssten. Derartiges Vorgehen steht aber im Widerspruch zum freien Mandat, weswegen das kaum jemand öffentlich verkünden oder fordern würde.

Bei Pizza und Rotwein: Spahn und die Abweichler

Auch in der Rentendiskussion gab es Gerüchte, dass den "Renten-Rebellen" der Jungen Union mit harten Konsequenzen gedroht worden sei. Der Unions-Fraktionsvorsitzende Jens Spahn wies diese Meldungen im ARD-Interview bei Caren Miosga zurück. "Ich führe einfach freundliche, klare Gespräche, ich drohe nicht", sagte Spahn. "Das gehört nicht zu meinem Handwerkszeug, das ist auch gar nicht in Ordnung."

Gleichwohl sagte Spahn über die Gespräche, die er mit Abweichlern bei Pizza und Rotwein gehabt habe: "Jede Entscheidung hat Folgen." Und weiter: "In diesen Gesprächen spielen wir Szenarien durch, was das auch für die Partei heißt, für die Koalition heißt." Diese Verantwortung gehe über die einzelne Person hinaus. Trotz der Appelle wird es bei der Rentenabstimmung wohl kein einheitliches Abstimmungsverhalten von CDU/CSU geben. Bis zu 15 Nein-Stimmen aus den eigenen Reihen scheinen möglich. Mit seiner Forderung der "Kanzlermehrheit" hat Merz den Druck nochmals erhöht.

Wann es keine Vorgaben der Fraktionen gibt

Grundsätzlich steht es jedem Abgeordneten frei, seine Fraktion zu verlassen. Die Folgen für die eigene politische Karriere sind in der Regel aber enorm. Umgekehrt kann eine Fraktion Mitglieder bei fraktionsschädigendem Verhalten ausschließen – dafür gibt es allerdings hohe Hürden. Wenn es dazu kommt, behält der- oder diejenige ihr Mandat und bleibt als fraktionslose Abgeordnete im Parlament.

Es gilt allerdings nicht bei allen Gesetzen eine Fraktionsdisziplin: Bei ethischen oder tiefgreifenden gesellschaftspolitischen Fragen gibt es meist keine Vorgabe der Fraktionsführung; die Abgeordneten können ohne Angst vor parteiinternem Streit frei entscheiden. Beispiele sind unter anderem die Abstimmung zur gleichgeschlechtlichen Ehe oder zu Themen wie Organspende oder Sterbehilfe. Das Thema Rente zählte in der Vergangenheit aber nicht dazu.

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