Es sind Sätze, die dem US-Präsidenten vor kurzem so noch nicht über die Lippen gekommen wären: Die Ukrainer würden mit "ungeheurem Mut" gegen Russland kämpfen. Kremlchef Wladimir Putin würde zwar "sehr nett" mit ihm telefonieren, aber in der Nacht die ukrainischen Städte bombardieren.
Auch Europa sei mittlerweile gewillt, eine größere Verantwortung für die Bewaffnung der Ukraine zu übernehmen, lobte Donald Trump während seines Treffens mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte. "Ich muss Ihnen sagen, dass Europa sehr viel Mut für diesen Krieg aufbringt", fügte der US-Präsident hinzu. Das hätte er anfangs nicht gedacht, "aber sie tun es".
Nato-Partner zahlen für Patriot-Systeme
Entscheidender als seine erheblich veränderte Tonlage gegenüber der Ukraine ist hingegen das grüne Licht, das Trump für die Lieferung von Patriot-Luftabwehrsystemen gegeben hat, die für den Schutz der ukrainischen Städte vor russischen Marschflugkörpern und Hyperschallraketen unverzichtbar sind. Dafür würden allerdings die europäischen Nato-Partner zahlen, nicht der amerikanische Steuerzahler, wie der US-Präsident mit Blick auf seine isolationistisch eingefärbte "America First"-Anhängerschaft mehrfach betonte.
Der Kontrast zwischen Trumps beispiellos herabwürdigenden Behandlung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Ende Februar im Weißen Haus und Trumps jetzigen Aussagen und Ankündigungen könnte kaum größer sein.
Sanktionsdrohungen an Putins Erdöl-Kunden
Sollte Putin innerhalb der nächsten 50 Tage nicht zu einem Waffenstillstand bereit sein, würden die USA sogenannte "Sekundär-Sanktionen" gegen jedes Land verhängen, das russisches Erdöl, Gas und Uran kauft, kündigte Trump an: "Zölle in Höhe von etwa 100 Prozent, man würde sie Sekundärzölle nennen."
Er nutze den Handel für viele Dinge, "aber er ist großartig, um Kriege zu schlichten". Dabei geht es um US-Zölle, von denen vor allem Indien und Chinas betroffen sein würden, die in großen Mengen russisches Erdöl kaufen. Indien hatte vor dem russischen Angriffskrieg so gut wie kein russisches Erdöl eingeführt, derzeit bezieht Indien nahezu 40 Prozent seiner Erdölimporte aus Russland.
Trump distanzierte sich von dem parteiübergreifenden Gesetzentwurf des US-Senats, der 500-prozentige Strafzölle gegen Staaten vorsieht, die Putins Erdöl importieren. Es würden "100 Prozent" werden, sollte der Kremlchef nicht einem Deal zustimmen, erklärte Trump.
Fraglich, ob Trump seine Androhungen umsetzen wird
Es ist allerdings angesichts der massiven weltwirtschaftlichen Folgen sehr fraglich, ob Trump diese Androhung jemals in die Tat umsetzen wird. Der bilaterale Handel zwischen China und Russland beträgt nahezu 250 Milliarden Dollar, davon stammt ein Großteil aus den enormen Erdöl-Importen Chinas aus Russland. Dass sich Trump auf einen "Showdown mit Peking" einlassen würde, um zugunsten der Ukraine die russische Kriegskasse zu schmälern, sei wenig wahrscheinlich, analysiert die "New York Times".
Eine Einschätzung, die unter anderem von ukrainischen Finanzexperten geteilt wird: Trump sei "hinter den Erwartungen des Marktes zurückgeblieben", sagte Artyom Nikolayev von der Investmentfirma Era der Nachrichtenagentur Reuters. Der US-Präsident habe der russischen Führung 50 Tage Zeit gegeben, "um sich etwas einfallen zu lassen und den Verhandlungsweg zu verlängern". Außerdem verschiebe und verlängere Trump "gerne solche Fristen".
Trump: Von Putin enttäuscht, aber nicht fertig mit ihm
Nach seiner Begegnung mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte, der ein "Supertyp" sei, gab Trump der britischen BBC ein 20-minütiges Telefoninterview. Die Aussagen des US-Präsidenten lassen dabei keine Absicht erkennen, dass er ungeachtet aller täglichen Angriffswellen gegen die Ukraine den Kontakt zu Putin abreißen lassen will.
Viermal in den vergangenen Wochen und Monaten habe er geglaubt, dass Putin bereit gewesen sei, den Krieg gegen die Ukraine zu beenden. Stattdessen habe Putin nach den Telefonaten die ukrainische Hauptstadt bombardiert, oder, um Trump zu zitieren, "ein Wohnhaus in Kiew niedergerissen".
Ob er mit dem russischen Präsidenten fertig sei, wollte die BBC von Trump wissen. Die Antwort des US-Präsidenten: "Ich bin enttäuscht von ihm, aber ich bin noch nicht fertig mit ihm. Aber ich bin enttäuscht von ihm."
Im Video: ARD-Korrespondentin Gudrun Engel zu Trumps Äußerungen
Im Video: ARD-Korrespondentin Gudrun Engel zu Trumps Äußerungen
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