Es sind nicht immer die Reden, die etwas über Stimmungen aussagen, sondern die Reaktionen darauf. Als SPD-Fraktionschef Matthias Miersch und seine Stellvertreterin Siemtje Möller an diesem Donnerstag sprechen, bekommen sie von der Unionsfraktion geschlossen Beifall. Die beiden SPD-Politiker stehen nach dem missglückten Einigungsversuch zur Einführung eines Losverfahrens für die Bundeswehr gehörig unter Druck. Nun wirkt es so, als wolle die Unionsfraktion den beiden ganz bewusst den Rücken stärken.
Was Beifall über Stimmungen aussagt
Umgekehrt ist die Zuneigung nicht so ausgeprägt. Als Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bei seiner Regierungserklärung seine Aussage bekräftigt, "Wir wollen uns verteidigen, damit wir uns nicht verteidigen müssen", rührt sich in den Reihen der SPD-Fraktion keine Hand zum Beifall.
Die Stimmung ist angespannt. Differenzen zwischen den Koalitionsfraktionen gibt es bei mehreren Themen, so bei der Rente. Aber beim Thema Wehrdienst hat man sich am meisten verhakt.
Ein Konflikt, der seit Monaten schwelt
Zunächst blockierte Außenminister Johann Wadephul (CDU) den Gesetzentwurf seines Kabinettskollegen Boris Pistorius (SPD) zum künftigen Wehrdienst. Dann verzögerte die Unionsfraktion die erste Lesung von Pistorius' Vorschlag - die Fachpolitiker sollten noch im Vorfeld der Debatte im Bundestag Korrekturen erarbeiten. Doch das ging gründlich schief. Zwar einigten sich die Verteidigungsexperten von Union und SPD auf das viel diskutierte Losverfahren, doch die SPD-Fraktion spielte nicht mit. Nachdem auch Pistorius seine Parteifreundin Möller hart angegangen war.
Vieles ist unstrittig, betont Pistorius
Just diese beiden, Pistorius und Möller, sprechen nun in der Wehrdienst-Debatte. Zunächst betont der Verteidigungsminister, dass vieles unstrittig sei - bezogen darauf, dass die Koalition den Wehrdienst attraktiver machen will. Es müsse auch die Möglichkeit geben, ganze Jahrgänge junger Männer zu mustern - das ist ab 2027 geplant. Sollte es mit der Freiwilligkeit nicht klappen, seien schließlich auch verpflichtende Elemente denkbar, über die dann aber der Bundestag neu entscheiden müsste.
Inhaltlich bleibt Pistorius damit beim Nein zur Aufnahme eines möglichen Losverfahrens in seinen Gesetzentwurf, auch wenn er zugleich für eine ehrliche, offene und leidenschaftliche Debatte um die künftige Ausgestaltung des Wehrdienstes plädiert.
"Ordentlich Leben in der Bude - gut so"
In diese Richtung geht zunächst auch seine Parteikollegin Möller, wenn sie feststellt, dass ja nun "ordentlich Leben in der Bude" sei: "Gut so - denn es geht um was." Doch in den Details zeigt sich, dass hinter versöhnlich klingenden Worten tiefe Differenzen stecken. So wenn sie Pistorius für den "exzellenten Gesetzentwurf" dankt und diesen als "Herr Verteidigungsminister" adressiert - und im nächsten Moment den Unions-Politikern Röttgen (CDU) und Erndl (CSU) für den gemeinsam Vorschlag zum Losverfahren dankt - und diese als "lieber Norbert, lieber Thomas" anspricht.
CSU-Abgeordneter verteidigt Vorschlag zum Losverfahren
Für die CSU denkt Thomas Erndl gar nicht daran, sich trotz aller öffentlichen Kritik - bis hin zum Bundespräsidenten - von dem eigenen Vorschlag zu distanzieren. Es sei die "verdammte Pflicht", schon heute über einen Plan nachzudenken, wenn sich nicht genug Freiwillige für den Dienst an der Waffe entschieden. Die Opposition kritisiere bloß, lege aber keine Alternativen vor - ein Satz, den Erndl zwar formal an die Grünen richtet, der aber genauso auf Pistorius und die Mehrheit der SPD-Fraktion gemünzt sein dürfte.
Wie geht es weiter?
Unions-Fraktionschef Jens Spahn versuchte schon am Vormittag, etwas Brisanz aus dem Koalitionsstreit zu nehmen: Man werde die angesprochenen Fragen lösen und "absehbar zu einer Entscheidung führen". Wie diese aussehen kann, ist angesichts der unterschiedlichen Positionen, auch innerhalb der SPD, aber noch unklar.
Zum Nachhören: Wehrdienst erstmals im Bundestag
Wehrdienst-Debatte: Angespannte Stimmung in der Koalition
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