14.10.2025, Rheinland-Pfalz, Andernach: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gibt während seines Besuchs in Andernach ein Statement vor der Presse. Foto: Thomas Banneyer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Steinmeier zweifelt am Losverfahren für Wehrdienst

Steinmeier zweifelt am Losverfahren für Wehrdienst

Die Bundeswehr braucht mehr Soldaten – dazu soll der neue Wehrdienst beitragen, über den der Bundestag heute zum ersten Mal berät. Doch es gibt Streit in der Koalition. In die Debatte hat sich jetzt sogar Bundespräsident Steinmeier eingeschaltet.

Über dieses Thema berichtet: Bayern-1-Nachrichten am .

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht ein mögliches Losverfahren bei der Auswahl von Wehrpflichtigen skeptisch. "Die (Koalitionäre) müssen selbst bewerten, ob das Losverfahren wirklich ein taugliches Verfahren ist. Lassen Sie mir etwas Zweifel zu", sagte Steinmeier dem SWR-Magazin "Zur Sache Rheinland-Pfalz".

Wird es tatsächlich ein Losverfahren zur Wehrpflicht geben? Wir sprachen bei BR24 mit BR-Korrespondent Mario Kubina in Berlin. Außerdem ordnete Hans-Peter Bartels, Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, das aktuelle Debattenthema ein. Das Video der Sendung inklusive der Bundestagsdebatte finden Sie oben eingebettet über diesem Artikel.

Bundespräsident kritisiert "kommunikative Fehlleistung"

Steinmeier bezeichnete den Streit über die Wehrpflicht als "kommunikative Fehlleistung". Er "glaube, das sehen mittlerweile nach einigen Stunden Abstand auch die Beteiligten selbst ein". Er hoffe, dass das relativ schnell bereinigt werde.

Dass der Bundespräsident sich zu tagespolitischen Diskussionen äußert, ist selten. Grundsätzlich wirbt Steinmeier seit längerem für einen sozialen Pflichtdienst für junge Menschen. Junge Männer und Frauen sollen sich laut ihm zwischen einer sozialen Pflichtzeit und einer Wehrpflicht entscheiden können.

Steinmeier müsste das Gesetz unterschreiben

Auslöser des jüngsten Streits in der Koalition war die Frage, ob möglicherweise ein Losverfahren für die Musterung bei der Wehrpflicht eingeführt werden soll, wenn sich nicht genügend Freiwillige zum Wehrdienst melden. Als Präsident muss Steinmeier das Gesetz unterschreiben, damit es in Kraft tritt. Zuvor hat er ein Prüfungsrecht, das die Frage umfasst, ob das Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Bislang kam es in der Geschichte der Bundesrepublik erst achtmal vor, dass ein Präsident ein Gesetz nicht unterzeichnete. Zuletzt war das 2006 der Fall, als der damalige Amtsinhaber Horst Köhler erst dem sogenannten Luftsicherheitsgesetz – das die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs in Deutschland regelt – und kurz darauf auch dem Gesetz zur Neuregelung der Verbraucherinformation seine Unterschrift verweigerte.

Wehrdienst: Schwarz-rote Einigung am Dienstag gescheitert

Am Dienstag war eine Einigung von Unterhändlern der schwarz-roten Koalition auf ein Losverfahren überraschend geplatzt. Damit gehen Union und SPD am heutigen Donnerstag ohne ein gemeinsames Konzept in die ersten parlamentarischen Beratungen über einen neuen Wehrdienst. 

Der Streit innerhalb der Koalition war in den vergangenen Tagen eskaliert. Fachpolitiker von Union und SPD hatten sich auf Änderungen am Entwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) geeinigt, den das Kabinett im August beschlossen hatte. Die Vorschläge – besonders das mögliche Losverfahren – stießen bei ihm aber auf Widerspruch und wurden entgegen der Ankündigung der Experten dann doch nicht öffentlich vorgestellt. 

Schülervertreter zur Wehrpflicht: Erst mal mit uns reden

Der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Quentin Gärtner, beklagte, dass junge Menschen in der Debatte über die Wehrdienstreform nicht gehört würden. "Vielleicht sollte sich die Bundesregierung erst mal anständig mit den Betroffenen auseinandersetzen, statt sich in koalitionsinternen Scharmützeln zu verkämpfen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). 

"Die andauernde Verunsicherung führt bestimmt nicht zu mehr Akzeptanz bei jungen Menschen. Wir befinden uns ohnehin schon in einer Krise der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen", sagte der Schülervertreter. "Man zockt nicht um junge Menschen."

Wehrdienst - warum überhaupt und was soll sich ändern

Klar ist: Die Bundeswehr soll wachsen – wegen einer massiven "Verschärfung der Bedrohungslage in Europa infolge des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine". So steht es im Gesetzentwurf. Gebraucht werden demnach 460.000 Soldaten, rund 260.000 in der stehenden Truppe und 200.000 Reservisten. Aktuell gibt es rund 183.000 aktive Soldaten und laut Jahresbericht der Wehrbeauftragten rund 50.000 Reservisten.

Wer nach dem 1. Januar 2026 volljährig wird, muss – so der Plan von Pistorius – in einem Online-Fragebogen persönliche Daten wie den Bildungsabschluss, Körpergröße, Gewicht und eine mögliche Bereitschaft zum Wehrdienst angeben. Für junge Frauen ist das freiwillig.

Verfassungsrechtler: Musterung per Los kaum vereinbar mit Grundgesetz

Das zunächst von Union und SPD vorgesehene Losverfahren stößt nicht nur beim Bundespräsidenten auf Skepsis. Der Oldenburger Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler hält eine solche Rekrutierung von Wehrdienstleistenden für schwer vereinbar mit dem Grundgesetz.

Ein den gesamten Jahrgang erfassendes Musterungssystem sei dem Losverfahren, wie es derzeit in den Bundestagsfraktionen von SPD und Union diskutiert wird, verfassungsrechtlich vorzuziehen, sagte Boehme-Neßler dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir reden hier über Einschränkungen der Grundrechte auf Freiheit und Leben."

Mit Informationen von dpa und epd

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Zum Video: Wehrdienst bei der Bundeswehr: Ich trainiere für den Krieg

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