Laut dem Weltbiodiversitätsrat IPBES sind von weltweit schätzungsweise acht Millionen Tier- und Pflanzenarten eine Million vom Aussterben bedroht. Dabei geht es nicht nur um einzelne Arten, sondern um ganze Ökosysteme, auf die die Menschheit angewiesen ist: weil etwa Wälder Holz als Rohstoff liefern, Insekten landwirtschaftliche Kulturen bestäuben oder Mikroorganismen für gesunde Böden sorgen.
Hauptursache für Artensterben: Landnutzung
Haupttreiber des weltweiten Verlusts an Artenvielfalt ist die sogenannte Landnutzungsänderung, also wenn Wälder gerodet werden, um die Fläche landwirtschaftlich besser nutzen zu können. Ökosysteme weichen dem Städte- und Straßenbau oder dem Rohstoffabbau.
Ein weiterer Treiber ist die gezielte Ausbeutung von Ökosystemen, wie etwa die Fischerei. Aber auch Umweltverschmutzung und der Klimawandel verstärken das Artensterben.
Biodiversität in den Ozeanen leidet unter dem Klimawandel
Die Erderwärmung beeinflusst vor allem die Ozeane. Meereslebewesen reagieren auf Veränderungen sehr empfindlich. Das trifft zum Beispiel Korallenriffe. Sie werden weltweit durch sogenannte Korallenbleiche als Folge höherer Wassertemperaturen geschädigt. Korallenriffe sind wiederum Lebensraum für viele andere Arten. In einem gerade veröffentlichten Dossier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina heißt es: "Bereits eine globale Klimaerwärmung um 1,5 Grad wird zu Bleichschäden an den meisten Korallenriffen führen, jenseits von zwei Grad droht ein Totalverlust der Riffe."
Auch Ökosysteme in Bayern leiden, zu sehen an Wäldern, die durch frühe Wärmeperioden und Trockenheit verstärkt vom Borkenkäfer befallen werden.
Abholzung tropischer Wälder schadet Klima und Artenvielfalt
Darüber hinaus haben Klimawandel und Artensterben in Teilen die gleichen Ursachen, erklärt die Klimaforscherin Julia Pongratz von der Ludwig-Maximilians-Universität München: "Zehn bis 15 Prozent unserer globalen CO₂-Emissionen stammen aus der Landnutzung, vor allem aus der Entwaldung. Die Entwaldung findet derzeit vor allem in den Tropen statt, wo teils noch unberührter, hochbiodiverser Wald abgeholzt wird." Diese Entwaldung zu stoppen, würde dem Klima und der Artenvielfalt nützen.
Aber auch die Verschmutzung durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas trage zum Artensterben bei, so Pongratz. Wenn die Welt also in Zukunft auf fossile Energie verzichtet, würde das auch die Artenvielfalt schützen.
Klimawandel als Ursache überschätzt?
Trotzdem gibt es Stimmen, die davor warnen, das Artensterben zu stark der Klimaveränderung zuzuschreiben. So hält etwa Matthias Glaubrecht, Professor für Biodiversität der Tiere an der Universität Hamburg, den Einfluss des Klimawandels auf den Artenverlust für überschätzt: "Er trägt in geringer Größenordnung zur Biodiversitätskrise bei und sollte daher nicht überproportional betont werden."
Das Artensterben sei direkt vom Menschen gemacht und werde vor allem durch "unsere bisherige Art der Ernährung und die angestrebte Energiewende" verstärkt, sagt Glaubrecht. Gerade beim Ausbau von erneuerbaren Energien kommt der Klimaschutz auch immer wieder mit dem Naturschutz in Konflikt. Das wird auch in Bayern immer wieder sichtbar, wenn um Standorte für Windkraftanlagen gestritten wird, besonders in Wäldern, oder darum, welche Gefahr die Anlagen für Vögel darstellen könnten.
Lösungen für Klima- und Artenschutz
Andererseits tragen viele Lösungsansätze, die CO₂ aus der Atmosphäre aufnehmen und speichern sollen, gleichzeitig auch zum Schutz der Biodiversität bei, sagt die Klimaforscherin Pongratz. Als Beispiele nennt sie klimastabile Mischwälder oder die Wiedervernässung von Mooren, die dann sowohl als CO₂-Senker wirken, als auch Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten bieten.
Klima- und Biodiversitätskonferenz zusammenführen?
Teilnehmer der UN-Biodiversitätskonferenz 2024 in Kolumbien besprechen auch, wie Maßnahmen gegen das Artensterben besser mit Klimaschutz verzahnt werden können. International wird diskutiert, ob die Maßnahmen nicht vielmehr aus einer Hand geplant werden müssten. Statt auf zwei getrennten Treffen müssten die Ziele auf einer gemeinsamen UN-Konferenz (COP) verhandelt werden.
So sagt Edeltraud Günther, Direktorin des Instituts für integriertes Materialfluss‐ und Ressourcenmanagement der Universität der Vereinten Nationen (UNU‐FLORES) in Dresden: "Ich halte das für absolut notwendig, diese COPs zusammenzuführen." Auch wenn es wichtig sei, sich wissenschaftlich mit dem Klimawandel und der Biodiversität jeweils in einzelnen Disziplinen zu befassen, hätte eine gemeinsame Konferenz auch eine stärkere öffentliche Wirkung.
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