Es waren nicht allein handelspolitische Drohungen, die der US-Präsident gegen die EU ausgestoßen hatte. So schmerzlich die 15 Prozent Zoll-Einigung für Europas Unternehmen sind: Bei Donald Trumps ambivalenter Haltung zu Nato und Ukraine hatte die EU schlechte Karten.
EU scheut harte Linie im Zollstreit
Es war eine schmerzhafte, nüchterne Abwägung, die die EU-Kommission sowie europäische Staats- und Regierungschefs wie Bundeskanzler Friedrich Merz oder Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vorzunehmen hatten: Was wären die sicherheitspolitischen Folgen für Europa, wenn die EU-Kommission bei den Verhandlungen mit der US-Regierung "hardball" gespielt hätte – also mit harten Bandagen in den Zoll-Konflikt mit Trump eingestiegen wären? Wie hätte der wankelmütige US-Präsident reagiert, wenn die Europäer hart geblieben wären, wenn sie den 1. August hätten verstreichen lassen?
Dieses Datum hatte Trump für einen "Deal" genannt. Das sicherheitspolitische Risiko war für die Europäer schlichtweg zu hoch, als dass Merz, Macron, Meloni und andere EU-Staats- und Regierungschefs der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geraten hätten: Geben Sie in den Verhandlungen mit Washington keinen handelspolitischen Fußbreit preis. Es bedarf wenig Fantasie, um sich vorzustellen, wie Trump reagiert hätte: Er hätte nicht allein die angedrohten 30-prozentigen Zölle gegen EU-Einfuhren in die USA verhängt. Vielmehr hätte Trump seiner Europa-Antipathie freien Lauf gelassen, verbunden mit Drohungen, die gerade erst mühsam mit der Nato vereinbarte Militärunterstützung der Ukraine wieder einzustellen und sein Bekenntnis zur Beistandsverpflichtung Amerikas nach Artikel 5 der Nato-Charta erneut zu relativieren. Das wollten und konnten die Europäer nicht in Kauf nehmen.
Schlimmer geht immer
Es sei der beste Deal, den "wir bekommen konnten", bilanzierte die EU-Kommissionspräsidentin nach ihrem Gespräch mit Trump am Sonntag. Aus diesen Worten spricht das Eingeständnis von der Leyens, dass die Europäische Union zwar ein ökonomisches Schwergewicht ist, aber eben kein militärischen und außenpolitisches. Die Europäer hätten versucht, "einen umfassenden Handelskrieg mit ihrem traditionell engsten Handels- und Militärverbündeten zu vermeiden", schreibt zu Recht die "Washington Post". Für die Europäische Union sei ein pauschaler Zollsatz von 15 Prozent weitaus schlimmer als von den europäischen Entscheidungsträgern zuvor erhofft und "deutlich höher als vor Trump".
Die Europäer hatten kein einzig überzeugendes Drohpotential gegenüber dem regelbrechenden US-Präsidenten in der Hand. Im Gegensatz zur Weltmacht China, die sich aus zahlreichen Gründen eine offene handelspolitische Konfrontation mit Washington leisten kann, konnten die EU-Mitgliedsstaaten nichts Vergleichbares aufbringen. China ist nicht allein die nahezu gleichwertige Militärmacht wie die USA. Das Riesenreich besitzt unter anderem das fast weltweite Monopol bei den Seltenen Erden, deren Gewinnung und Verkauf. Auf diese Rohstoffe kann die US-Wirtschaft nicht verzichten – sie ist vielmehr auf den chinesischen Markt für Seltene Erden unbedingt angewiesen.
Für Europa habe es "ein böses Erwachen" gegeben, stellt die "Neue Zürcher Zeitung" fest – und das stimmt. Aggressiv gegen den US-Präsidenten aufzutreten, könne sich die EU nicht leisten. "Zu unberechenbar ist Trump, und zu sehr ist Europa bei der Verteidigung auf den alten Verbündeten angewiesen."
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