"Putin hat drei enge Vertraute: Iwan den Schrecklichen, Peter den Großen und Katharina die Große", soll der russische Außenminister Sergej Lawrow unmittelbar nach Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine im Kreis besorgter russischer Oligarchen bemerkt haben [externer Link]. Seitdem ließ Putin keinen Zweifel an seiner besonderen Wertschätzung für Zarin Katharina II. (1729 - 1796), die als Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst in Stettin geboren wurde, den russischen Thronfolger Peter (III.) heiratete und sich mit einem Staatsstreich die Macht für sich allein sicherte.
"Alle historischen Gebiete zurückerobert"
Ganze vier Jahre vor dem 300. Geburtstag der umstrittenen Zarin unterschrieb Putin jetzt eine Anweisung [externer Link], in "Anbetracht der großen Bedeutung der Reformen Katharinas II. für die russische Geschichte" innerhalb von sechs Monaten ein Festkomitee zu gründen, das sich um die angemessene Würdigung der Monarchin in ihrem Jubiläumsjahr kümmern soll.
Putin lässt kaum eine Angelegenheit aus, Katharina zu rühmen. Unter ihr habe Russland "alle seine historischen Gebiete, einschließlich des Südens und Westens" zurückerobert, die zeitweise an Polen verloren gegangen seien, erklärte der russische Präsident etwa im Februar vergangenen Jahres im Interview mit dem US-Journalisten Tucker Carlson [externer Link].
Im Gespräch mit der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua hatte Putin sogar versucht, unter Berufung auf Katharina Peking zu schmeicheln [externer Link]: "Während der Herrschaft Katharinas II. kam chinesische Kunst in Mode. So waren beispielsweise die Innenräume des Chinesischen Saals im Katharinenpalast – die Privatgemächer der Kaiserin – reich mit Lacktafeln aus China verziert."
"Die Kaiserin ist es wert"
Der russische Nationalist und Polit-Blogger Oleg Zarow (395.000 Fans) schwärmte nach Putins Erlass [externer Link]: "Eine solche Vorlaufzeit bedeutet, dass die Feierlichkeiten wahrscheinlich im großen Stil stattfinden werden. Aber die Kaiserin ist es wert. Der Name Katharinas erinnert in erster Linie an die Erweiterung der russischen Staatsgrenzen, die Eroberung des Zugangs zum Schwarzen Meer und die Siege der Feldherrn Alexander Suworow und Fjodor Uschakow."
Ähnlich euphorisch zeigte sich Militärblogger Boris Roschin (827.000 Follower). Die aufwändige Würdigung Katharinas sei "großartig" [externer Link]: "Angesichts ihres enormen Beitrags zur Erweiterung unseres Landes sowie zur Eingliederung der Krim und Sewastopols in Russland feiern wir."
"Sie hatte Dutzende Liebhaber"
Polit-Kommentator Sergei Koljasnikow (447.000 Fans) konnte sich eine Prise Ironie nicht verkneifen [externer Link]: "Wow, ich erinnere mich noch an [Ex-Präsident] Dmitri Medwedews Zitat von 2010, Russland sei ein junges Land, nämlich erst zwanzig Jahre alt. Und jetzt ist Katharina II. plötzlich 'von großer Bedeutung für die Geschichte der Reformen'."
Peter Jungblut
Wirtschaftskolumnist Dmitri Drise spottete [externer Link]: "Alles wie erwartet. Allerdings entsprachen die Handlungen und das Verhalten von Zarin Katharina der Großen nicht immer den 'traditionellen Werten' und 'spirituellen Bindungen'."
Leser der St. Petersburger Zeitung "Fontanka" höhnten [externer Link], Putins Faible für Katharina sei "unerwartet": "Katharina korrespondierte mit Voltaire und sprach mehrere Sprachen. Priester mochte sie nicht. Nun ja, das ist keine Muss-Vorschrift!" Ein weiterer Kommentator meinte: "Am Ende ihrer Herrschaft befand sich Russland in einer tiefen Wirtschaftskrise mit einem völligen Zusammenbruch des Finanzsystems. Sie hatte Dutzende Liebhaber. Sie kam durch eine Palastrevolte an die Macht. Und sie war Ausländerin. Ein wahres Vorbild."
"Russland sucht neue Katharina"
Auf einem der viel zitierten anonymen russischen Telegram-Kanäle wurde darüber spekuliert, dass Putin womöglich schon eine andere Katharina im Auge habe, nämlich seine jüngere Tochter [externer Link] aus erster Ehe: "Bis 2029 könnte sich im Land viel ändern. Zum Beispiel könnte ein Nachfolger gefunden werden. Oder eine Nachfolgerin. Das Gerede vom 'Kreis um Katerina Tichonowa' ist schon lange im Umlauf und wird immer hartnäckiger."
Mit ironischem Unterton heißt es da: "Wem sonst könnte der Vater des Volkes Russland anvertrauen, wenn nicht einer, die diesen Vater niemals verrät, sondern die rettende, mitfühlende und versöhnende Rolle der Mutter der Nation spielt, die die politische Linie ihres Vaters nicht aufgibt, sondern sie letztlich weicher und flexibler macht. Russlands Seele sucht noch immer nach einer Mutter, einer neuen Katharina."
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!