Der Chor des Männergefängnisses der JVA Nürnberg probt für den nächsten Gottesdienst ein Lied. Die neun Männer zwischen Ende 20 und Anfang 50 singen in der Gefängniskapelle ein Lied über Buße und Umkehr.
Feiertag Buß- und Bettag ist 200 Jahre alt
Vor rund 200 Jahren führte die Evangelische Kirche den Buß- und Bettag ein – immer am Mittwoch vor dem Totensonntag, dem letzten Sonntag im Kirchenjahr. Seit 30 Jahren ist der Buß- und Bettag kein gesetzlicher Feiertag mehr. 1995 wurde er in allen Bundesländern, außer in Sachsen, abgeschafft, um die Pflegeversicherung zu finanzieren. In Bayern haben Kinder schulfrei, sodass sich viele Eltern einen Urlaubstag nehmen müssen, um ihre Kinder zu betreuen. Die evangelische Kirche bezeichnet die Abschaffung heute als Fehlentscheidung.
Der Chor ist eine Besonderheit in der JVA Nürnberg, organisiert von der ökumenischen Gefängnisseelsorge. Hier erfahren die Inhaftierten, dass auch ihre Stimme etwas zählt. "Ich sage zu jedem Gefangenen, stellen Sie sich vor, der Chor hat jetzt momentan acht Leute, sieben sind krank und Sie singen alleine. Sie müssen sich darauf einstellen, dass Sie als letzter der Truppe vorne stehen und singen und es ist niemand da, hinter dem Sie sich verstecken können", sagt Chorleiter und Gefängnisseelsorger Andreas Bär.
Nachdenken über Fehler und Unrecht
Die Erfahrung, Verantwortung zu übernehmen, machen die Inhaftierten hier im Chor. Daran soll auch der Buß- und Bettag erinnern. An diesem kirchlichen Feiertag sollen Christinnen und Christen nicht nur darüber nachdenken, welche Fehler sie begangen und welches Unrecht sie anderen Menschen zugefügt haben, sondern auch, wie sie sich in Zukunft bessern können. "Luther hat mal gesagt: Sünder und Gerechtfertigter zugleich. Und das sind wir alle immer", sagt der evangelische Gefängnisseelsorger in Nürnberg, David Vogt.
Die Möglichkeit zur Wiedergutmachung, auf Umkehr – darum geht es am Buß- und Bettag und auch in der Gefängnisseelsorge. Denn jeder hat die Chance auf einen Neuanfang. In der evangelischen Kirche steht der Buß- und Bettag in diesem Jahr unter dem Motto: "Ich bin da, wenn du mich brauchst." David Vogt versucht diesen Grundgedanken jeden Tag zu leben, indem er für die Inhaftierten da ist: "Es sind auch extrem harte Fälle hier. Und gleichzeitig ist das der erste Schritt raus. Das ist, was Seelsorge leisten kann: eine Öffnung, eine Annahme von Menschen, einen Ort zu schaffen, an dem man sein kann."
Bei Katholiken spielt Buß- und Bettag keine große Rolle
Beim Buß- und Bettag soll auch über gesellschaftliche Irrtümer nachgedacht werden. An einem bestimmten Tag, um Vergebung zu bitten und seine Fehler zu bereuen, geht zurück auf eine alte Tradition: Schon im Mittelalter wurden in Krisenzeiten Bußtage ausgerufen, um Gott wieder gnädig zu stimmen – etwa, während des Dreißigjährigen Krieges oder in Zeiten der Pest. Die meisten evangelischen Gemeinden begehen ihre Gottesdienste und Andachten, seitdem er kein gesetzlicher Feiertag mehr ist, am Abend, damit auch Berufstätige daran teilnehmen können.
Seit der Reformation ist der Buß- und Bettag fester Bestandteil des evangelischen Kirchenjahres. In der katholischen Kirche spielt der Tag keine Rolle. Dort gibt es andere Buß- und Gebetszeiten und die Beichte. In der JVA Nürnberg feiern jedoch alle den Buß- und Bettag – egal welcher Konfession. Sowohl der Chor als auch die Gefängnisseelsorge sind ökumenisch.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Sie interessieren sich für Religion, Kirche, Glaube, Spiritualität oder ethische Fragen? Dann abonnieren Sie den Newsletter der Fachredaktion Religion und Orientierung.
