Porträt des türkischen Journalisten Can Dündar im Gespräch auf der Frankfurter Buchmesse 2025. In seinem Buch "Ich traf meinen Mörder" erzählt er vom Ende der Pressefreiheit und der Demokratie in seinem Land.
Porträt des türkischen Journalisten Can Dündar im Gespräch auf der Frankfurter Buchmesse 2025. In seinem Buch "Ich traf meinen Mörder" erzählt er vom Ende der Pressefreiheit und der Demokratie in seinem Land.
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Der türkische Journalist Can Dündar im Gespräch über sein Buch "Ich traf meinen Mörder"
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Der türkische Journalist Can Dündar im Gespräch über sein Buch "Ich traf meinen Mörder"

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"Ich traf meinen Mörder": Can Dündars Buch über die Türkei

"Ich traf meinen Mörder": Can Dündars Buch über die Türkei

Einem Zeitungsbericht über illegale Waffenlieferungen nach Syrien folgte die massive juristische Kampagne gegen den türkischen Journalisten und seine Kollegen der Zeitung Cumhuriyet. In "Ich traf meinen Mörder" erzählt Dündar nun die Geschichte.

Über dieses Thema berichtet: Kulturleben am .

Im Januar 2014 wurden – nach einem anonymen Hinweis – drei Lkw auf einer Autobahn im Süden der Türkei gestoppt. An Bord: Medikamentenkisten, darunter versteckt Munition, etwa 30.000 schwere Maschinengewehrpatronen. Die Lieferung war im Auftrag des türkischen Geheimdienstes in Richtung Syrien unterwegs, berichtet der türkische Journalist Can Dündar in seinem Buch. Sie sollte an den selbst ernannten "Islamischen Staat" übergeben werden. Nach Interventionen von oberster politischer Stelle konnten die Lkw weiterfahren.

Juristische Verfolgung und ein Attentat

Im Mai 2015 veröffentlichte die Cumhuriyet einen Bericht über den Vorfall, gestützt auch auf neue Dokumente. Can Dündar war damals Chefredakteur der renommierten liberalen türkischen Zeitung. Seine Kollegen und er entschieden gemeinsam, über den Vorfall zu berichten. Die Folgen: Eine massive juristische Kampagne gegen das Team der Cumhuriyet. Es wurde umgehend ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, Can Dündar wurde unter anderem der Spionage und des Verrats von Staatsgeheimnissen bezichtigt. Der Staatspräsident persönlich zeigte ihn an, er kam zeitweise in Untersuchungshaft und wurde angeklagt.

Im Mai 2016 wurde zudem – auf dem Weg zu einer Gerichtsverhandlung – ein Mordanschlag auf Can Dündar verübt. Er überlebte und erfuhr später, dass ein Auftragskiller auf ihn angesetzt war. Dündars Buch "Ich traf meinen Mörder", das die Geschichte der Waffenlieferung mit der persönlichen verbindet, beginnt dort. 2020 erhielt der Journalist einen Brief aus einem argentinischen Gefängnis. "Man gab mir den Auftrag, Sie zu töten", schrieb der Verfasser. Er sei bereit, alles zu sagen, was er wisse.

Wachsende Verflechtung von Politik und Mafia

"Der Mann war Mitglied einer Bande, die versucht hat, mich zu töten", erzählt Can Dündar im Gespräch über sein Buch auf der Literaturbühne von ARD, ZDF und 3sat auf der Frankfurter Buchmesse. "Er hat sich geweigert, den Auftrag auszuführen und musste dann fliehen. Er reiste durch verschiedene Länder und wurde vom türkischen Geheimdienst verfolgt. In Buenos Aires wurde er von Interpol verhaftet. Die Türkei verlangte seine Auslieferung."

Der Informant – einer von mehreren, die im Buch zu Wort kommen – bestätigt die Informationen, die der Cumhuriyet vorlagen. Can Dündar führte ausführliche Interviews und dokumentiert sie in seinem Buch. Es entsteht das Bild einer wachsenden Verflechtung von türkischem Staat und organisiertem Verbrechen. "Es gibt Verbindungen zwischen mafiösen Gruppen und der Regierung. Über den Geheimdienst nutzt die Regierung die Mafia, um Gegner anzugreifen. Gleichzeig gibt es aufgrund der Verbindung mit der Regierung Vorteile für die Gruppen."

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Can Dündar zu Gast auf der Literaturbühne von ARD, ZDF und 3sat auf der Frankfurter Buchmesse 2025.

Der Kampf der Wahrheit gegen die Lüge

Die Berichterstattung wurde in verschiedener Hinsicht zur Zäsur für Can Dündar. Er wurde zu einer langen Haftstrafe verurteilt, im Zuge der Neuordnung des Justizapparates nach dem Militärputsch 2016 und dem Verfassungsreferendum wurde das Verfahren noch einmal aufgerollt – und die Strafe verschärft. "Es ist ein Kampf der Wahrheit gegen die Lüge", sagt Can Dündar und erinnert an die Schicksale von Kolleginnen und Kollegen. "Wer die Wahrheit verteidigt, muss einen hohen Preis bezahlen."

Unmittelbar nach dem Militärputsch von 2016 entschloss sich Can Dündar – aufgrund der eigenen Gefährdung – ins Exil zu gehen. Er lebt in Berlin, unter anderem hat er einen sehr persönlichen Dokumentarfilm über die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja gemacht. Dündars Frau konnte drei Jahre später in die Freiheit folgen. Das Vermögen des Paares wurde in der Türkei beschlagnahmt, die Türkei verlangt Dündars Auslieferung. Auch davon berichtet er in seinem Buch. Es sei, so sagt er, seine persönliche Verteidigungsrede. Vor einem türkischen Gericht kann er sie nicht halten.

Vom Ende des Rechtsstaates

Sein Buch ist ebenso ein Plädoyer für ein wichtiges Grundrecht: die Freiheit der Presse. "In Ländern wie der Türkei braucht der Journalismus Tapferkeit", so Can Dündar. Er dokumentiert in seinem Bericht das Ende des Rechtsstaates. Und er schreibt, er werde oft gefragt, ob er die Veröffentlichung bereue. Seine Antwort: Nein. Und weiter: "Wir sind keine Verräter, wir sind keine Helden, wir sind Journalisten." Er kämpft weiter für die Pressefreiheit und die Demokratie.

Can Dündars Buch "Ich traf meinen Mörder. Ein Journalist und die dunklen Seiten der Macht" ist – aus dem Türkischen übersetzt von Sabine Adatepe – bei Galiani erschienen.

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