"Ein schwerer Schlag sowohl gegen die Wissenschaftsfreiheit als auch gegen die Freiheit der Kunst", so reagiert Kulturstaatsminister Wolfram Weimer auf das angedachte Verbot von ausländischen Studierenden an der Universität Harvard. Ähnlich sieht es Dorothee Bär (CSU): Die Situation sei "hochdramatisch", so die Bundesforschungsministerin gegenüber dem BR. Mit einer einstweiligen Verfügung kippte eine US-Richterin am Freitag zwar vorerst das Verbot für die Elite-Universität, ausländische Studierende aufzunehmen. Doch die Debatte dürfte weitergehen.
Im Kollegium der Harvard-Universität gingen zuvor die Textnachrichten hin und her, wie der Deutsch-Amerikaner Martin Puchner im Interview mit Bayern 2 erzählt: "Es wird viel darüber geredet und spekuliert, wie es jetzt weitergeht." Puchner ist Literaturwissenschaftler und selbst Professor in Harvard. Für ihn sei der Schritt, ein Verbot auszusprechen, zwar schockierend, aber "mehr oder weniger erwartbar" gewesen.
US-Regierung vermutet extremistische Tendenzen unter Harvard-Studierenden
Die US-Heimatschutzministerin Kristin Noem hatte am Donnerstag das Verbot damit begründet, dass sich unter den ausländischen Studierenden viele "anti-amerikanische, pro-terroristische Agitatoren" befänden. Die Universität Harvard selbst sprach dagegen von einem Racheakt. Die Regierung schädige die Universitätsgemeinschaft und das Land und untergrabe Lehre und Forschung, sagte ein Sprecher der Universität.
Puchners Einschätzung nach "geht es darum, Informationen über ausländische Studierende an das Department of Homeland Security weiterzugeben. Besonders natürlich auch disziplinäre Prozesse, also ob ausländische Studierende, die sich an illegalen Demonstrationen beteiligt hatten, ob die auch entsprechend bestraft wurden." Das Verbot gehe natürlich weit über diese Forderung nach Informationen hinaus, so Puchner.
Puchner: Harvard ist "in einem Krieg mit der Bundesregierung"
Ob sich Harvard weiterhin erfolgreich wehren kann, bleibt offen. Die öffentlichen Fördermittel wurden der Elite-Universität bereits gestrichen. Bei einem Stiftungsvermögen von rund 50 Milliarden US-Dollar kann Harvard das Fehlen von knapp zwei Milliarden staatlicher Zuschüsse allerdings verkraften.
Das eigene Geld werde der Uni in der aktuellen Situation allerdings nicht helfen, vermutet Puchner. "Das ist das Problem, wenn man sich in einem Krieg mit der Bundesregierung befindet. Irgendwann geht einem da die Munition aus. Da habe ich schon große Bedenken."
Harvard-Professor Martin Puchner
Hat Harvard ein Linksextremismus-Problem?
Was Harvard jetzt vor allem brauche, sei politische Rückendeckung, sagt Puchner im Gespräch mit Bayern 2. Und dass man sich auch von konservativen Politikern Unterstützung erhofft. Immerhin hätten viele entweder selbst in Harvard studiert oder Kinder, die dort eingeschrieben sind. "Da wird jetzt natürlich sicher in der Stille irgendwie versucht, die einzuspannen."
Und dann teilt Martin Puchner, der seit 15 Jahren als Professor für Englisch und Komparatistik an der Universität Harvard lehrt, eine selbstkritische Beobachtung: "Zumindest an bestimmten Teilen der Uni und auch unter den Studenten hat schon immer stärker so eine linksextremistische Meinungsverengung stattgefunden." Die Uni sei zum Teil nicht fähig gewesen, eigene Regeln anzuwenden, zum Beispiel bei illegalen Protesten: "So brutal jetzt diese Trump-Attacken sind, da ist in Harvard auch was schiefgelaufen", so Puchner.
Das rechtfertigt in Puchners Augen dennoch keinesfalls die staatlichen Eingriffe. Aber es gibt Anlass zur Selbstkritik, und die, so hofft der Professor, behalte Harvard nun trotz der Angriffe seitens der US-Regierung weiterhin bei.
Puchner: Vielfalt wichtig für weltweites Renommée
Rund ein Viertel der Studierenden in Harvard kommt nicht aus den USA, sondern aus insgesamt 140 anderen Ländern; in einzelnen Fächern liegt der Anteil bei 50 oder sogar 70 Prozent. Diese Vielfalt sei enorm wichtig für das weltweite Renommée von Harvard, so Puchner, "nicht nur für die wissenschaftliche Forschung, die besten Talente hier zu bekommen, sondern auch einfach für die globale Position der Universität."
Mit Informationen von dpa
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