Durchschnittlich zweieinhalb Stunden pro Tag verbringt jeder Deutsche laut Branchenverband Bitkom am Smartphone: Nachrichtenlesen, Soziale Medien checken oder selbst Inhalte publizieren. Eine Flut von Informationen, die man empfängt, verschickt oder selbst produziert.
Stundenlanger Medienkonsum macht krank
Der stundenlange Medienkonsum verursacht häufig nicht nur Stress, sondern macht auch krank. Deshalb hat die Caritas der Diözese Augsburg ihre Suchtberatung ausgeweitet. Die Beraterinnen und Berater bilden sich aktuell zum Thema Mediensucht fort. Suchttherapeut Niels Pruin berät bei der Caritas Internetsüchtige und Angehörige, wie sie mit der Informationsflut im Netz besser umgehen können. Niels Pruin stellt fest, dass viele erstmal wegen anderer Probleme kommen, wie beispielsweise Alkoholsucht, Drogensucht, Einsamkeit oder Depressionen. In der Beratung stellt sich dann oft schnell heraus, dass bei seinen Klienten auch das Thema Mediensucht immer häufiger eine große Rolle spielt.
Niels Pruin ist auch an Schulen unterwegs und leistet Präventionsarbeit für einen gesunden Umgang mit Medien. In Zeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) wird die verantwortungsbewusste Nutzung von digitalen Inhalten noch wichtiger: vor allem für Kinder. Er stellt fest, dass Kinder inzwischen weniger Freunde oder Sport vermissen, sondern die KI, mit der sie kommunizieren. "Sie erzählen mir, dass sie jeden Tag ChatGPT brauchen und es auch vermissen, wenn sie es nicht haben." Kinder und Jugendliche würden heute seltener lernen, mit negativen Emotionen wie Traurigkeit, Enttäuschungen, Streit oder Langeweile umzugehen. Der Grund: "Ihre Bedürfnisse werden vom Internet sofort passgenau befriedigt."
Eine schwierige Situation, auch für die Eltern. Pruin empfiehlt: Das Wichtigste sei, den eigenen Kindern ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln. "Sie sind die Eltern, sie sind das Basiscamp für die Kinder", appelliert Pruin bei einer Veranstaltung in einer Grundschule in Füssen-Schwangau. Sicherheit und Geborgenheit meint hier, den Kindern Orientierung zu geben und ihnen ein Vorbild zu sein. Dazu gehört beispielsweise, sich als Eltern auch an die Regeln zu halten, die man mit dem Kind vereinbart hat, oder ihnen vorzuleben, dass Hobbys wie Sport oder Musik im realen Leben einen höheren Stellenwert haben sollten als die digitale Welt.
Niels Pruin empfiehlt, Kinder in der digitalen Welt zu begleiten und nicht alleine zu lassen, mit ihnen über Inhalte zu sprechen, diese kritisch zu hinterfragen und im Gespräch Leitplanken festzulegen, beispielsweise welche Apps genutzt werden dürfen und wie lange die Kinder am Handy sein dürfen. "Wenn man im Straßenverkehr, in der realen Welt ist, nimmt man das Kind ja auch an die Hand, und zeigt, wie man sich dort bewegt. Die virtuelle Welt, wo sich die Kinder auch aufhalten, ist eine Welt für sich. Deshalb braucht es einen bewussten Umgang mit dem Smartphone."
Niels Pruin vor einem Vortrag zum Thema Mediensucht.
Rat des Suchttherapeuten: Bewusst Handy-freie Zeiten vornehmen
In der Schule rät Pruin Schülern, Lehrern und Eltern, das private Smartphone komplett zu verbieten oder es, nur für Notfälle, ausgeschaltet dabei zu haben. "In der Pause lernen Kinder soziale Kompetenzen, wie Freundschaften schließen oder Konflikte auszuhalten. In der Pause passiert meist das, woran man sich nach 20 Jahren immer noch erinnert."
Eltern berichten, dass dieser Umgang mit Kindern dann auch tatsächlich dazu führen, dass sie selbstkritisch mit dem Handy umgehen und auch freiwillig aufs Smartphone verzichten, wenn sie merken, dass es ihnen nicht guttut. Anna Soddu ist Mutter eines 13-Jährigen und berichtet vom Firm-Ausflug: "Die haben alle gemerkt, dass es irgendwie cool ist, ohne Smartphone zu sein," erzählt sie. "Und seitdem versucht mein Sohn tatsächlich, sich einzuschränken. Und wenn er es nicht schafft, bittet er mich, die App zu sperren. Weil er es selbst nicht hinkriegt."
Der Umgang mit der Medienflut ist wohl einer der großen gesellschaftlichen Herausforderungen - für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Suchttherapeut Niels Pruin rät, das Smartphone weder komplett zu verbieten, noch uneingeschränkt zu erlauben. Sondern den Medienkonsum der Kinder zu begleiten.
Mehr zum Thema in der Sendung STATIONEN in der ARD Mediathek.
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