In ihrer Rolle als Schriftstellerin Sidonie Perceval sitzt Isabelle Huppert an einem Tisch mit japanischem Essen und schaut ins Leere.
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Isabelle Huppert als Schriftstellerin Sidonie Perceval in "Madame Sidonie in Japan"

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Neuer Film mit Isabelle Huppert: "Madame Sidonie in Japan"

Neuer Film mit Isabelle Huppert: "Madame Sidonie in Japan"

Spielt Isabelle Huppert in einem Film mit, erzeugt das sofort Aufmerksamkeit. Im März ist sie 71 Jahre alt geworden, munter dreht sie weiter Film auf Film. Gerade war sie mit ihrem neuen Werk "Madame Sidonie in Japan" beim Filmfest München.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Kulturleben am .

Als ihr japanischer Verleger die französische Autorin Sidonie vom Flughafen abholt, kommt es zu einer lustigen Szene: Er, ein großer Mann, nimmt nach der Begrüßung ihren Rollkoffer und läuft mit mächtigen Schritten Richtung Ausgang los – sie, die zierliche Frau, trippelt wie eine Geisha hinter ihm her. Auf die Frage an Isabelle Huppert, ob das so im Drehbuch stand, antwortet sie: "Nein, es gab keine Beschreibung dazu. Es entstand aus meiner Interpretation des Raums, auch in Auseinandersetzung mit der Kultur Japans. Ich hatte plötzlich die Idee und machte es dann."

Isabelle Huppert, die Raumleserin

Wird im Fußball der Nationalspieler Thomas Müller gerne als Raumdeuter bezeichnet, kann man Isabelle Huppert im Kino als Raumleserin oder sogar (technischer ausgedrückt) als Raumlaser definieren: Wie ein höchst präzises Messgerät erfasst sie Strecken, Flächen und sogar Volumen eines Ortes, um all das in ihre Darstellung einfließen zu lassen. Vor der Kamera entwickelt sie eine ungeheure physische Präsenz, so auch in "Madame Sidonie in Japan". Isabelle Huppert erobert sich sofort die Räume, die sie betritt, ob nun drinnen oder draußen – durchschreitet sie, spielt mit ihnen, beherrscht sie. Auch das macht ihren großen Erfolg aus – wie kaum eine andere ist sie immer einfach: da!

Mit ihrer großen Erfahrung, aber auch intuitiv reagiert sie auf Situationen. Ob sie schneller spricht oder mit mehr Ausdruck, dazu animieren sie manche Szenen. "Das entscheide nicht ich, auch nicht der Regisseur, es entscheidet der Film." Der Film – das kann die Geschichte sein, die Dialoge, die Ausstattung, der Raum, die Kostüme. "Es ist nichts Mysteriöses, man spürt es einfach. Oder sollte es zumindest. Wenn man nichts spürt, wird es schwierig. Bisweilen kann aber gerade auch das interessant sein."

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Schriftstellerin Sidonie Perceval (Isabelle Huppert) und ihr Verleger Kenzo (Tsuyoshi Ihara).

Japan, das Land der Geister

"Madame Sidonie in Japan" erzählt von einer Schriftstellerin in einer Krise. Sidonie leidet immer noch unter dem Tod ihres vor Jahren gestorbenen Ehemanns. Der erscheint ihr - gespielt von August Diehl - in Japan immer wieder in Gestalt eines durchscheinenden Sehnsuchtsbildes. Der Verleger, dem Sidonie das erzählt, meint, kein Wunder: Japan sei schließlich das Land der Geister. Und so schleppt sich dieser Film voran, von der ironisch gemeinten Inszenierung von Höflichkeitsritualen über jahreszeitliche Klischees wie der Kirschblüte bis zu erlesenen touristischen Orten, die für die Lesereise Sidonies ausgewählt wurden: Kyoto oder die wunderbare Kunstinsel Naoshima. Im Gespräch mit dem BR darüber, ob das alles nicht allzu erwartbar sei und etwas überstrapaziert werde, meint Huppert: "Die Regisseurin Elise Girard hat ihre Story immer in Japan gesehen, mit allem, was einem in den Sinn kommt, wenn man dieses Land bereist."

Schwacher Film, glänzende Isabelle Huppert

Tja, so unterkomplex kann man das auch ausdrücken. Oder als Rezensent konstatieren: Das ist wieder einmal ein Isabelle Huppert-Auftritt, der als Film schwach ist, in dem die Schauspielerin aber trotzdem glänzt. Die Trauerarbeit mit dem melancholischen japanischen Verleger Kenzo, der von seiner Frau verlassen wurde, birgt durchaus schöne Momente. Huppert hat ein paar wunderbare Szenen, Miniaturen ihrer Kunst, etwa wenn sie erschrickt oder während eines gestellten Fotos, wenn sie aufgefordert wird, zu lächeln, plötzlich aber laut hervorplatzend loslacht. "Humor gibt den Zuschauern immer einen Raum, um sich in eine Figur hineinzuversetzen", sagt Isabelle Huppert. Da hat sie Recht – und man kann noch hinzufügen: Humor macht mäßige Filme auch ein wenig erträglicher.

"Madame Sidonie in Japan" von Elise Girard startet am 11. Juli in den deutschen Kinos.

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