"In der Tat hat sich innerhalb von nur drei Jahren ein starker Wandel [in den russischen Medien] vollzogen", so Putins Sprecher Dmitri Peskow in einem Gespräch mit der Zeitschrift "Expert" [externer Link]: "Die Konzentration von patriotischen Inhalten ist sehr hoch. Manche gehen sogar zu weit, aber es wird immer diejenigen geben, auf die das Sprichwort 'Lehre einen Narren, zu Gott zu beten' zutrifft. Generell ist der wachsende Patriotismus ein positiver Trend."
Er denke, dass die "Liebe zu Russland und der Stolz darauf bei den meisten Menschen schon immer vorhanden" gewesen sei, aber viele Medien sich "nicht darauf eingelassen" hätten, solche Einstellungen zu fördern: "Ich würde sogar sagen, dass es Teil der redaktionellen Politik einiger russischer Medien war, Skepsis gegenüber dem eigenen Land zu äußern."
"Regime jetzt gerechtfertigt"
Patriotismus sei an sich "keine große Leistung", so Peskow, sondern eine "normale menschliche Eigenheit". Für die Zukunft schloss er eine Lockerung der Zensur zwar nicht aus, drohte kritischen Medien jedoch: "Natürlich werden wir die Fehler der Vergangenheit berücksichtigen. Um nicht in die Zeiten des fanatischen Online-Portals Meduza [externer Link] zurückzufallen, wo sie entweder schlecht über Russland berichten oder gar nicht. Natürlich wird eine Zeit kommen, in der eine sanftere Informationspolitik gefragt sein wird, und dann werden wir das Aufkommen einer größeren Anzahl neutraler Medien erleben, die sowohl über Probleme als auch über Erfolge berichten."
Peskow räumte ein, dass viele Journalisten ins Exil gegangen sind und zahlreiche Medien eingestellt wurden: "Aber vergessen Sie nicht die Lage, in der wir uns befinden. Wir erleben gerade eine Zeit der Militärzensur – beispiellos für unser Land. Schließlich tobt der Krieg auch im Informationsraum. Und es wäre falsch, die Augen vor Medien zu verschließen, die Russland gezielt diskreditieren. Deshalb glaube ich, dass dieses Regime jetzt gerechtfertigt ist."
"Das sind die Realitäten"
Peskow empfahl den Medien, mehr "individuell" zugeschnittene Informationen bereitzustellen, dann könnten auch die Journalisten-Gehälter steigen: "Jemand, der sich beispielsweise für Metallurgie interessiert, benötigt oft Informationen über einen bestimmten engen Sektor und nicht umfassende Analysen der gesamten Branche."
Peter Jungblut
Für seine Argumentation musste sich Peskow jede Menge Spott gefallen lassen. Da es offiziell keinen "Krieg" gebe (der Begriff steht im Zusammenhang mit der Ukraine unter Strafe, in Russland wird von "Spezialoperation" gesprochen), könne es eigentlich auch keine "Militärzensur" geben, so Politologe Anatoli Nesmijan [externer Link]: "Generell ist festzustellen, dass die Verfassung im Land ohne Vorwarnung ihre Gültigkeit verloren hat." Eigentlich müsse sie aufgehoben werden, mit der logischen Folge, dass dann auch die Regierung ihre Legitimität einbüße.
"Wachsame Hausfrauen"
"Dmitri Sergejewitsch sagte der Abwechslung halber die reine Wahrheit", so Publizist Wadim Schumilin [externer Link]: "Die Zeiten sind wirklich beispiellos, erstens, weil es offiziell keine Militärzensur gibt (wie auch keinen 'Krieg'), es aber tatsächlich so ist. Und zweitens, weil noch nie in der Geschichte Russlands jedermann zum Zensor werden konnte: Beamte unterschiedlichster Art, von der kommunalen bis zur Bundesebene, wachsame Hausfrauen, die vom Drang nach ungehemmten Erfolgen besessen sind, Müßiggänger, Stadtneurotiker." Daher sei mittlerweile alles, was nicht ausdrücklich erlaubt sei, verboten und keiner wisse mehr, was bestraft werde.
Der St. Petersburger Politologe Michail Winogradow verwies ironisch darauf [externer Link], dass Peskow nach dem aufsehenerregenden Tod des russischen Ex-Verkehrsministers Roman Starowoit gesagt hatte, Spekulationen (über mögliche Fremdeinwirkung bei der angeblichen Selbsttötung) wolle er Journalisten und Politikwissenschaftlern überlassen, jetzt fordere er mehr maßgeschneiderte Hintergrundinformationen: "Die Aktien der Experten scheinen im Aufwind."
"Oma an der falschen Stelle"
Auf die Forderung anspielend, es dürfe nur noch positiv über Russland berichtet werden, meinte ein Kommentator [externer Link], dann müsse es in Unfallberichten wohl künftig heißen: "Die Oma überquerte die Straße an der falschen Stelle." Ernsthafter meinte ein weiterer russischer Leser: "Man muss ein Patriot des Vaterlandes sein, aber kein Patriot der herrschenden Eliten." Wieder ein anderer verwies darauf, dass es Russland ziemlich teuer komme, dem sprichwörtlichen "Narren das Beten" beizubringen: Die Propaganda koste Hunderte von Millionen (in Euro umgerechnet).
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