An der Kirche von Maximus dem Bekenner in der Nähe des Kremls: Erinnerung an russische Gefallene - Fotowand in Moskau
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Erinnerung an russische Gefallene: Fotowand in Moskau
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"Null Vertrauen in den Staat": Putin findet weniger Freiwillige

"Null Vertrauen in den Staat": Putin findet weniger Freiwillige

Obwohl russische Regionen und der Kreml Söldnern Rekordsummen anbieten, ist die Zahl der Interessenten stark rückläufig. Tonangebende Militärblogger begründen das mit Orientierungslosigkeit und massiven Zweifeln an der Dauerhaftigkeit des Regimes.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Der russische Militärblogger Swjatoslaw Golikow nimmt kein Blatt vor den Mund [externer Link]: "Der Grund, warum die Leute sich nicht zum Fronteinsatz melden wollen, besteht darin, dass sie null Vertrauen in den Staat, das Verteidigungsministerium und alle Ebenen der 'Führung' haben. Die Leute misstrauen dem Staat, weil er überall Profiteure hat, Geld seine Hauptsorge ist, weil unklar ist, wofür gekämpft wird, und weil sie nicht wissen, wie lange dieser Staat überhaupt noch bestehen wird, aber sie spüren, dass er vielleicht nicht mehr von langer Dauer ist."

Eine Kampagne für die Anwerbung von Freiwilligen, die am 25. August gestartet wurde, habe "keine Resultate" gebracht, ist auf einem der mit 206.000 Abonnenten wichtigsten russischen Polit-Blogs zu lesen [externer Link]: "Die Zahl der Vertragswilligen liegt weit unter den geplanten Zielen, die Rekrutierungsrate sinkt weiter. Die Gründe liegen auf der Hand. Im Frühjahr traten Vertragssoldaten der Armee bei, als Gerüchte über ein baldiges Kriegsende aufkamen. Viele glaubten ernsthaft, dass bis Jahresende ein 'großer Deal' gelingen würde, der sie davor bewahren würde, jahrelang an der Front kämpfen zu müssen. Doch nun sind solche Hoffnungen verflogen."

Putin: "Unsere Leute kommen von sich aus"

Die strategischen Prioritäten würden im Kreml derzeit "überarbeitet", weil die Kosten für minimale Geländegewinne immer weiter anstiegen. "Jede neue Schützengrabenlinie, jedes Dorf, jeder Quadratkilometer Land kostet uns mehr als der vorherige", wird ein hoher Beamter zitiert. Aufwand und Ertrag stünden in keinem akzeptablen Verhältnis mehr.

Dagegen hatte Wladimir Putin bei einer Podiumsdiskussion am 2. Oktober auf die Frage, ob Russland ausreichend Frontkämpfer finde, geantwortet [externer Link]: "Wir haben genug. Zunächst einmal haben wir natürlich leider auch Verluste, aber sie sind um ein Vielfaches geringer als die Verluste der ukrainischen Streitkräfte, um ein Vielfaches geringer. Was ist der Unterschied? Unsere Leute kommen von sich aus zu uns, melden sich bei der Armee; sie sind im Grunde Freiwillige."

"Was ist los mit denen, verdammter Laden?"

Dieser Einschätzung widersprechen zahlreiche Militärblogger. So startete Alexander Kartawik (100.000 Follower) eine Umfrage und sammelte Meinungen zu folgendem Zitat eines anonymen russischen Politikers [externer Link], der sich bei ihm beschwert habe: "Wir geben bereits sechs Millionen Rubel [umgerechnet rund 60.000 Euro] für einen Freiwilligen aus, bald werden es sieben oder sogar acht Millionen sein. Und der Andrang ist nicht besonders beeindruckend. Ein Teelöffel pro Tag, tröpfchenweise. Was ist los mit denen, du verdammter Laden? Was musst du ihnen sonst noch geben, damit sie kämpfen?"

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Peter Jungblut

Es habe einen "Sturm der Entrüstung" mit tausenden von Reaktionen gegeben, so Kartawik. Kommentatoren schrieben [externer Link] sarkastisch: "Ein Soldat ist bereit, 'bis zuletzt' durchzuhalten, bereit, den Feind aus seinen Befestigungen zu vertreiben, wenn er weiß, dass man an ihn denkt, sich um ihn kümmert, dass er irgendwann Zeit zum Ausruhen bekommt und ins Hinterland eskortiert wird, um sich dort zu erholen. Ein Soldat will kein Held sein, ein Soldat will ein Gewinner sein."

"Für das Vaterland ja, für Geld nein"

Blogger Roman Saponkow (135.000 Fans) beklagte [externer Link], dass die Kommandeure Freiwillige rücksichtslos verheizten, weshalb deren durchschnittliche Lebenserwartung nicht einmal zwei Wochen betrage: "Sie unterschreiben den Vertrag nicht, weil ab dem Moment der Unterzeichnung der Countdown ihrer letzten zwölf Tage beginnt."

Saponkow kam einmal mehr auf den aufsehenerregenden Fall des umstrittenen Regimentskommandeurs Igor Pusik zu sprechen, dem seit Monaten vorgeworfen wird, absichtlich ihm unbequeme Drohnenpiloten in den Tod geschickt zu haben: "Solange keine Maßnahmen gegen Pusik ergriffen werden, die die Gesellschaft als Beweis für Gerechtigkeit akzeptiert, können sie die Zahlungen [für Freiwillige] auf 20 Millionen Rubel erhöhen."

Auf einem weiteren Polit-Blog war mit Bitternis zu lesen [externer Link]: "Ein uns bekannter Bataillonskommandeur sagte einmal über Geld: Man kann für Geld arbeiten, man kann sogar für Geld töten, aber niemand wird für Geld sterben. Wir Russen sind in dieser Hinsicht seltsam – wir brauchen einen Sinn, für den wir sterben können. Für das Vaterland ja, für Geld nein."

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