"Russland kann weiterkämpfen. Aber es ist viel besser, dazu zu lernen, das Erreichte zu sichern, stärker zu werden und das Land aufzubauen, nachdem der Feind bereits gestoppt ist und unsere eigene Stärke bewiesen ist", so der russische Militärblogger Roman Aljechin (174.000 Fans) in einer bemerkenswerten Analyse [externer Link], in der er für ein baldiges Ende des Angriffskriegs auf die Ukraine plädiert.
"Selbst im Falle eines [totalen] Sieges wird die Ukraine ein Land ohne Wirtschaft sein, mit Hass auf unser Volk und seit langem bestehenden Denkmustern, auf die Russland weder technisch noch kulturell vorbereitet ist", so Aljechin: "Was ist wichtiger: noch mehr Territorien zu erobern oder das Erreichte zu bewahren? Zu siegen heißt nicht nur, irgendwo eine Flagge aufzustellen. Es ist auch die Fähigkeit, das Erreichte festzuhalten, ohne an Kraft und Zukunft zu verlieren."
An die Adresse der russischen Propagandisten, die permanent behaupten, wenn Russland jetzt einlenke, werde es in einigen Jahren noch stärkere Gegner haben, schrieb Aljechin: "Aber das ist kein Argument gegen eine Pause, sondern ein Argument dafür, dass Russland in fünf Jahren stärker wird. Damit wir im Jahr 2030 nicht am selben Punkt sind, sondern höher und weiter – in jeder Hinsicht. Wenn wir Angst vor einer Pause haben, bedeutet das, dass wir nicht an unsere eigene Fähigkeit glauben, eine schnellere Niederlage unserer Gegner herbeiführen zu können. Das ist dann bereits eine Frage der inneren Strategie, nicht der Geopolitik."
Graham: "Putin untergräbt Grundlagen Russlands"
Grund für Aljechins Stellungnahme war ein Essay des US-Experten und früheren Präsidentenberaters Thomas Graham im Fachblatt "The National Interest" [externer Link]. Dort hatte Graham geschrieben: "Die große Ironie besteht darin, dass Russland seine Ziele praktisch bereits weitgehend erreicht hat, während die Fortsetzung des Krieges Russlands Kräfte weiter schwächt, die es braucht, um sich im zunehmenden Wettbewerb der Großmächte zu behaupten, der das Weltgeschehen in den kommenden Jahren prägen wird. Ein kluger Stratege würde erkennen, dass es Zeit ist, jetzt den Sieg zu verkünden."
Putin habe in 25 Jahren durch "Geduld und Vorsicht" viel erreicht: "Jetzt, besessen von der Ukraine und entschlossen, einen totalen Sieg zu erringen, untergräbt er langsam die Grundlagen der russischen Macht und verpfändet die Zukunft seines Landes für kurzfristige Gewinne von zweifelhaftem Wert. Ein scharfsichtiger Stratege würde lieber den zwar zugegebenermaßen nicht totalen Sieg nutzen und sich dem Wiederaufbau seines Landes für den mit Sicherheit bevorstehenden erbitterten Großmachtwettbewerb widmen."
"Position des Landes für Zukunft stärken"
Ein weiterer tonangebender anonymer russischer Polit-Blogger kommentierte das mit den Worten [externer Link], allen "vernünftigen Menschen" sei klar, dass etwas "schief laufe" und sich in die "falsche Richtung" bewege. Er beklagte "Fanatismus und blinde Dummheit".
"Thomas Graham hat Recht , wenn er im Wesentlichen schreibt, dass die Welt mit dem Kriegsende nicht untergehen wird", hieß es da: "Die berüchtigte 'Konfrontation der Großmächte' und der 'Kampf um Ressourcen' werden nicht verschwinden. Das Ziel jeder nationalen Politik sollte es sein, die Position des Landes für künftige Generationen schrittweise zu stärken, anstatt um der nationalen Sicherheit, Souveränität und Unabhängigkeit des Staates willen – für den kurzfristigen Profit – ständig Zeitbomben zu legen und sich in Sofortmaßnahmen zu ergehen."
Peter Jungblut
Dagegen wütete der rechtsextreme russische "Philosoph" Alexander Dugin, alles außer einer Annexion der Ukraine sei eine Niederlage. Russland sei viel zu "fatalistisch" [externer Link]: "Alle warten nur darauf, dass der Krieg bald vorbei ist. Selbst das Militär träumt vom Frieden, davon, dass alle Russland endlich in Ruhe lassen."
"Krieg hat seine Wirkung getan"
Politikwissenschaftler Anatoli Nesmijan spottete über Putins Zukunftsaussichten [externer Link]: "Der Kreml träumt davon, die Welt unter seinesgleichen aufteilen zu dürfen, doch angesichts des aktuellen beklagenswerten Zustands Russlands wird man ihm lediglich die neuen Regeln erklären, nach denen er künftig zu leben hat. Ob ihm das gefällt oder nicht, ist eine völlig uninteressante Frage. Dafür müssen sich die USA und China jedoch zunächst einigen."
Ein weiterer russischer Beobachter verweist darauf [externer Link], dass der wirtschaftliche Druck auf Putin und dessen Elite immer stärker werde: "Die Kaste der Unberührbaren wird immer kleiner, und das ist eine Folge der zunehmend schmaleren Existenzgrundlage des Regimes und des wachsenden Wettbewerbs innerhalb der Elite um die verbliebenen Ressourcen. Ich schätze, wir werden Trump wegen der korrupten Beamten und der traurigen Finanzbosse wirklich Zugeständnisse machen müssen."
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