Der russische Ex-Präsident vor einem Mikrofon
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Dmitri Medwedew im Mai 2025 bei einer Konferenz in St. Petersburg
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Dmitri Medwedew im Mai 2025 bei einer Konferenz in St. Petersburg

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"Trash-Talk": Ist Medwedew die "Stimme" von Putin?

"Trash-Talk": Ist Medwedew die "Stimme" von Putin?

Putins Amtsvorgänger Dmitri Medwedew gilt in Russland weithin als unglaubwürdiger Online-Schwafler. Manche argwöhnen allerdings, Putin schätze dessen Äußerungen. Der lautstarke Streit mit Donald Trump belebt die Debatte: "Für wen arbeitet Medwedew?"

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Dmitri Medwedew ist ein Hund hinter einem Zaun, der Passanten anbellt, aber ohne Befehl seines Herrchens niemanden beißen darf. Er hat sowieso keine Zähne mehr", hieß es auf einem der viel zitierten russischen Polit-Blogs (externer Link), nachdem der russische Ex-Präsident und jetzige stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrats in den sozialen Netzwerken mit US-Präsident Donald Trump aneinander geraten war. Der kündigte bekanntlich sogar an, zwei Atom-U-Boote in Marsch zu setzen, weil er Medwedews Äußerungen, etwa einen Hinweis auf ein automatisches System zum Start von Atomraketen, bedrohlich und "aufrührerisch" auffasste.

In Russland dagegen nimmt Medwedew kaum jemand ernst, vielmehr wird er regelmäßig (und offenbar ungestraft) als alkoholkrank bezeichnet. Das einzig Richtige sei es, "solche Provokateure völlig zu ignorieren", schreibt der zitierte Kommentator, der von "Trash-Talk" sprach: "Medwedew hat nichts zu verlieren, er ist ein abgestürzter Pilot, an dessen genaue Position sich kein normaler Russe erinnert. Und im Ausland gilt er als [Putins] Lakai mit einem miesen Ruf."

"Versuch, seine Biografie umzuschreiben"

Politologe Andrei Kalitin argumentierte dagegen (externer Link), der Krieg werde zur "Sternstunde" von Medwedew: "Er wusste, dass Putin die Publicity leid war und nie vorhatte, Blogs zu betreiben. KGB-Offiziere schreiben nicht im Internet. Medwedew sprang ein, besetzte eine Nische und wurde zur Stimme seines älteren Kameraden, der Medwedews literarische Experimente offenbar sehr schätzte, sonst hätte er ihn gestoppt."

Jede Schmähung von Trump sei für Medwedew inzwischen ein Kompliment: "Nachdem er zu Hause an politischem Gewicht und gleichzeitig Teammitglieder verloren hat, von dem einige bereits im Gefängnis sitzen, ist der Kampf mit dem 'kollektiven Westen' der jüngste Versuch, seine Biografie umzuschreiben." Früher nämlich sei Medwedew ein ausgesprochener Fan des Westens gewesen und habe Selfies mit Arnold Schwarzenegger gemacht.

"Wollte Putin solche Konsequenzen?"

"Nach der scharfen Reaktion von US-Präsident Trump wurde plötzlich klar, dass wir Dmitri Anatoljewitsch Medwedew aufgrund eines Missverständnisses als Blogger wahrnahmen", so Politologe Sergei Starowoitow (externer Link), "Trump ihn jedoch stets als den stellvertretenden Vorsitzenden des Sicherheitsrats Russlands ansah, der mit entsprechenden und sehr schwerwiegenden Befugnissen ausgestattet ist."

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Peter Jungblut

"Für wen arbeitet er derzeit?"

Bei Militärbloggern wie Oleg Zarow (396.000 Fans) hat Medwedew keinen guten Ruf (externer Link), trotz seiner martialischen Hassbotschaften. Grund dafür: Sie argwöhnen, das Gerede nehme dem Kreml Handlungsfreiheit. So müsse Putin wohl oder übel stets "symmetrisch" reagieren, wenn Trump wegen Medwedew irgendwelche Maßnahmen anordnet. "Wollte Putin solche Konsequenzen des Blogger-Geschwafels?", fragte Zarow denn auch nach dem jüngsten Streit zwischen Medwedew und Trump.

Die "provokante" Rolle Medwedews sei momentan nicht ganz klar, so ein weiterer russischer Kommentator (externer Link): "Für wen genau arbeitet er derzeit? Vielleicht sind seine prowestlichen Neigungen verschwunden, aber er handelt immer noch zugunsten der globalen Mächte des Westens."

"Witzig und demütigend zugleich"

Der in London lehrende Exil-Politologe Wladimir Pastuchow hält Trumps vermeintliche Wut für kalkuliert (externer Link): "Ich möchte besonders die gute Arbeit von dessen Beratern hervorheben, die Trump vorgeschlagen haben, sich in dieser Situation an den überschätzten Medwedew zu klammern und so zu tun, als existiere Putin überhaupt nicht. Das ist witzig und demütigend zugleich, mit einer Spitze, genau wie Putin selbst sie so schätzt. Generell ist es meiner Meinung nach höchste Zeit für Dmitri Medwedew, den vakanten Sitz des Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs Russlands einzunehmen, den er, wie ich glaube, schon lange anpeilt."

Russische Leser, etwa des St. Petersburger Online-Portals "Fontanka" (externer Link), lassen es sich nicht nehmen, Medwedew weidlich zu verspotten: "Lassen Sie sie [Medwedew und Trump] ihre Sprengköpfe vor laufenden Kameras vermessen, live auf Sendung – für sie wäre das ein Spektakel, für andere eine Show und eine Lehre."

Ein weiterer russischer Leser verteilte seine Sympathien höchst ungleich: "Unser Präsident trinkt und raucht nicht. Es wäre besser, wenn er trinken und rauchen würde. Ich habe sogar Angst davor, mir vorzustellen, was passieren würde, wenn Medwedew plötzlich mit dem Trinken aufhören würde."

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