Höchst bemerkenswert, dass ausgerechnet russische Kommentatoren argumentieren [externer Link], Europa habe "berechtigte Bedenken hinsichtlich Washingtons abrupter diplomatischer Friedensinitiative" im Ukraine-Konflikt. Dahinter steht die Befürchtung, dass in Trumps Erfolgsfall die weltweite Dominanz der USA zementiert würde, ohne Russlands Verhältnis zu Europa zu verbessern.
Folgerichtig setzt der russische Politologe Ilja Graschtschenkow fast schon flehentlich seine Hoffnungen auf Europa [externer Link]. Sollte sich Donald Trump mit seinem "Friedensplan" durchsetzen, so der Experte, würden die USA zum "obersten Schiedsrichter der Weltordnung", was es unbedingt zu verhindern gelte: "Der europäische Widerstand ist in diesem Zusammenhang nicht nur eine Verteidigung der Ukraine, sondern auch ein instinktiver Selbstschutz dagegen, an den Rand eines neuen amerikanischen Imperiums gedrängt zu werden."
Die gegenwärtige Krise sei ein "Test für die Widerstandsfähigkeit des gesamten Systems der internationalen Beziehungen", so Graschtschenkow. Es gehe um die Fähigkeit der Weltgemeinschaft, die Vorherrschaft Amerikas zu verhindern: "Der Ausgang dieses Konflikts wird darüber entscheiden, ob unser Jahrhundert eine Ära des Dialogs auf Augenhöhe einläutet oder zu einem Modell der globalen Dominanz einer einzigen Macht zurückkehrt, die sich nur fadenscheinig mit 'Friedenssicherung' tarnt."
"Ich lese die Vertragsentwürfe und lächle"
Sogar der Kreml-Propagandist Oleg Sarow demontiert den "Trump-Plan" nach Kräften [externer Link]. So seien die von Washington versprochenen "Sicherheitsgarantien" für die Ukraine allenfalls unverbindliche Zusicherungen. Im Übrigen verliere nicht nur die Ukraine ihre Souveränität, falls sie den Plan annehme, sondern auch die Nato. Ihr werde nämlich das Recht entzogen, in der Ukraine Stützpunkte einzurichten. Das sei "die erste Einschränkung in der Geschichte dieses Bündnisses".
Sarows Fazit: "Ich lese die Vertragsentwürfe und lächle. Ich kann mir vorstellen, welche Gefühle Europäer und ukrainische Nationalisten beim Lesen empfinden müssen. Russlands Souveränität wird durch das Abkommen übrigens in keiner Weise eingeschränkt."
"Hoffentlich irre ich mich"
Trump habe über Europa eine "Bombe gezündet", meint der in London lehrende russische Politologe Wladimir Pastuchow [externer Link]. Daher hätten die europäischen Regierungschefs im Gegenzug Trump "wie einen Idioten" aussehen lassen: "Natürlich verdient dieser Mut der Europäer Anerkennung. Und taktisch ist es klug – meiner Meinung nach nennt man das 'Verhandlungsmacht schaffen', um die Ausgangspositionen anzugleichen. Aber irgendetwas sagt mir, dass solche Tricks bei Trump nicht so gut funktionieren. Nun, hoffentlich irre ich mich."
Pastuchow wirft den Europäern vor, dass sie sich weigerten, an der Seite der Ukraine in den Krieg gegen Russland einzutreten und stattdessen weiterhin russisches Öl und Gas kauften: "So kann man den 'Elefanten' (den europäischen Friedensplan) nicht verkaufen." So oder so habe Trump mit seiner "Bombe" eine "Denkblockade" gesprengt, sodass eine Teilung der Ukraine jetzt "offen und ernsthaft" diskutiert werden könne.
Peter Jungblut
Weniger sarkastisch ist Politologe Andrei Nikulin [externer Link]: "Die europäischen Länder akzeptieren allmählich die Unvermeidlichkeit, ihre Zukunft, einschließlich der Verteidigung des Kontinents, selbst in die Hand nehmen zu müssen, ohne Rücksicht auf ihre Partner in Übersee, und lernen endlich, gemeinsam zu handeln. Wo Europa bisher gespalten war, stärkt es sich, wenn auch langsam, oft mit Fehlern und Stolpersteinen." Allerdings sei Eile geboten, da schon im kommenden Jahr ein Konflikt ums Baltikum ausbrechen könne.
"Nur leeres Gerede"
Deutlich skeptischer schrieb ein anonymer russischer Polit-Blogger [externer Link], der in der Netz-Debatte häufig zitiert wird: "De facto werden die Voraussetzungen für einen permanenten Konflikt zwischen Russland und der Europäischen Gemeinschaft geschaffen." Im Übrigen sei fraglich, ob Trumps Vorschläge dessen Amtszeit überdauerten: "Trumps Plan ist idealistisch, nicht pragmatisch. Er ist kein Dokument des Völkerrechts, sondern nur leeres Gerede."
Donald Trump versuche zweifellos eine "neue Form globaler Vorherrschaft zu etablieren", heißt es von einem weiteren russischen Beobachter [externer Link]: "Doch er steht damit nicht allein. Alle wichtigen Machtzentren sind daran interessiert, Europa unter ihre Kontrolle zu bringen – neben den Vereinigten Staaten auch Russland und China. Daher stehen die Erfolgsaussichten für Washingtons jüngsten Versuch nicht sehr gut."
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