Symbolbild zum Thema Chatkontrolle, Überwachung von Messengerdiensten usw. in der EU
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Chatkontrolle: Deutschland wird nicht zustimmen
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Chatkontrolle: Deutschland wird nicht zustimmen

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EU-Überwachungspläne: Deutschland sagt Nein zu Chatkontrolle

EU-Überwachungspläne: Deutschland sagt Nein zu Chatkontrolle

Nach Jens Spahn lehnt nun auch Justizministerin Stefanie Hubig die EU-Pläne zur Chatkontrolle ab. Damit dürfte dem Vorhaben die Mehrheit auf EU-Ebene fehlen – ein Erfolg für Datenschützer und ein Signal für den Schutz verschlüsselter Kommunikation.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Im Streit um die geplante EU-Verordnung zur sogenannten Chatkontrolle hat sich das Bundesjustizministerium nun klar positioniert: Deutschland werde den Plänen nicht zustimmen. Damit steht das umstrittene Projekt vor dem Scheitern – kurz bevor die EU-Staaten darüber beraten wollten.

"Anlasslose Chatkontrolle muss in einem Rechtsstaat tabu sein", sagte Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) am Mittwoch laut dpa. Private Kommunikation dürfe "nie unter Generalverdacht stehen". Der Staat dürfe Messenger-Dienste auch nicht dazu zwingen, Nachrichten vor dem Versenden massenhaft zu scannen. "Solchen Vorschlägen wird Deutschland auf EU-Ebene nicht zustimmen", so Hubig.

Zuvor hatte sich bereits am Dienstag Unionsfraktionschef Jens Spahn positioniert: "Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind gegen die anlasslose Kontrolle von Chats. Das wäre so, als würde man vorsorglich alle Briefe öffnen, um zu sehen, ob etwas Verbotenes drin ist. Das geht nicht – das wird es mit uns nicht geben", sagte Spahn. Gleichzeitig betonte er, der Schutz von Kindern vor Missbrauch müsse wirksam bleiben – aber ohne dabei "Sicherheit und Vertraulichkeit individueller Kommunikation zu gefährden".

Hintergrund: Scannen vor der Verschlüsselung

Der EU-Entwurf sieht vor, dass Messenger wie WhatsApp, Signal oder Telegram Inhalte – insbesondere Bilder und Videos – bereits auf dem Gerät der Nutzer prüfen, bevor sie verschlüsselt und gesendet werden. Dieses sogenannte Client-Side Scanning soll verhindern, dass Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern weiterverbreitet werden.

Datenschützer und Fachleute warnen jedoch seit Jahren, dass diese Technik die Sicherheit verschlüsselter Kommunikation aushebeln würde. In einem offenen Brief führender Kryptographie-Experten heißt es: "Ein Client-Side-Scanning, das Dritte – etwa Strafverfolgungsbehörden – über den Inhalt von Nachrichten informiert, zerstört die Sicherheitsgarantien der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vollständig."

Politische Bedeutung der Entscheidung

Mit dem klaren Nein aus Berlin dürfte das Gesetzesvorhaben in seiner jetzigen Form keine Mehrheit im EU-Rat finden. Deutschlands Stimme wiegt schwer, weil für eine Annahme mindestens 15 Mitgliedstaaten zustimmen müssen, die zusammen 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten.

Frankreich, Spanien und Italien hatten sich zuletzt für die Einführung ausgesprochen. Polen, Österreich und die Niederlande lehnen sie ab. Deutschlands Position gilt als entscheidend: Ohne Zustimmung aus Berlin dürfte sich keine qualifizierte Mehrheit bilden.

Die Mitgliedstaaten wollten am Abend auf Botschafterebene weiterverhandeln. Sollte sich eine Einigung abzeichnen, könnten die Innenminister bereits kommende Woche abstimmen. Nach jetzigem Stand ist das jedoch unwahrscheinlich.

Signal und Datenschützer sehen sich bestätigt

Messenger-Dienste wie Signal hatten in den vergangenen Wochen angekündigt, sich im Fall einer verpflichtenden Chatkontrolle vom europäischen Markt zurückzuziehen. Signal-Chefin Meredith Whittaker warnte, die Einführung von Scans auf Nutzergeräten würde "das Ende sicherer, privater Kommunikation" bedeuten.

Auch europäische Datenschutzbehörden, Bürgerrechtsorganisationen und IT-Sicherheitsforscher sehen den heutigen Schritt der Bundesregierung als Bestätigung ihrer Kritik. Sie fordern stattdessen gezielte Ermittlungen und die Stärkung von Strafverfolgungsbehörden – ohne anlasslose Überwachung privater Kommunikation.

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