Franziska Ketts Geschichte bei dieser Europameisterschaft ist eine Besondere. Erst vor wenigen Tagen feierte die 20-Jährige vom FC Bayern ihr bestandenes Abitur, nun überzeugte sie im EM-Viertelfinale gegen Frankreich und hatte großen Anteil am Einzug ins Halbfinale.
Um 23:32 Uhr Ortszeit im Basler St. Jakob Park schleppte sich Kett mit letzter Kraft zur deutschen Bank. In den vorangegangenen 114 Minuten hatte sich die gebürtige Deggendorferin gegen die Französinnen in jeden Ball und Zweikampf geworfen und danach im Elfmeterschießen mitgefiebert. Von ihrem Einsatz gezeichnet erschien sie in der Mixed Zone. Zwei Kratzer am Hals hatte Kett davongetragen. "Ich glaube, das war die Gegenspielerin, aber ich habe einfach versucht, alles zu geben", erklärte Kett im Sportschau-Interview.
Kett raubt Frankreich den letzten Nerv
Die Gegenspielerin war an diesem Abend die Französin Kadidiatou Diani - eine der besten Offensivspielerinnen der Welt. Doch die erst 20-jährige Kett machte Diani das Leben schwer, blieb immer wieder an ihrer Gegenspielerin dran und gab keinen Ball verloren. Nach der frühen roten Karte für Kathy Hendrich und der daraus resultierenden Unterzahl war Kett überwiegend defensiv gefragt. Immer wieder stach sie aus der Viererkette heraus und unterband so das französische Kombinationsspiel. "Ich denke, die Französinnen waren schon genervt von mir“, grinste Kett in den Katakomben in Basel.
Im Video: DFB-Frauen nach Elfmeterschießen gegen Frankreich im EM-Halbfinale
Bundestrainer Christian Wück (rechts) und Nationalspielerin Sophia Kleinherne
Bundestrainer Wück: "Muss den Hut ziehen vor Franzi Kett"
Was fast schon in Vergessenheit geriet: Es war Ketts Debüt bei einer Europameisterschaft und das gleich in der Startelf. Damit stand sie bei diesem Turnier übrigens genauso oft in der Startformation wie in der gesamten Bundesliga-Saison beim FC Bayern. Ohne große Spielpraxis so eine Leistung abzuliefern, nötigte auch Bundestrainer Christian Wück großen Respekt ab. "Ich muss den Hut ziehen vor Franzi Kett, wie sie heute gegen eine Gegnerin gespielt hat, die außergewöhnlich ist. Das zeigt wie viel Potenzial in ihr steckt."
Dass Kett überhaupt bei dieser EM in der Schweiz dabei ist, war bei Wücks Amtsantritt im letzten Herbst nicht abzusehen. Der Unterfranke machte aus der Flügelspielerin eine Flügelverteidigerin und nominierte sie trotz ihres Bankplatzes in München. Dass die Neuen wie Kett so gut funktionierten, zeige vor allem, "dass wir in der Kadernominierung alles richtig gemacht haben", freute sich der Bundestrainer. "Wir wussten, dass wir ohne Bedenken auf sie zurückgreifen können, wenn wir sie brauchen."
Das wird er möglicherweise auch im Halbfinale gegen Spanien am Mittwoch. Nach Hendrichs roter Karte und der Verletzung von Sarai Linder gehen Wück die defensiven Optionen aus. Carlotta Wamser kehrt nach ihrer Rotsperre zwar wieder zurück, dennoch ist ein erneutes Startelfmandat für Kett nicht unwahrscheinlich.
Von der Schulbank ins EM-Halbfinale
Damit geht Ketts Höhenflug weiter. Parallel zum Profifußball hat die gebürtige Deggendorferin in diesem Frühjahr ihr Abitur geschrieben. In die EM-Vorbereitung nach Herzogenaurach reiste sie verspätet, weil die Abifeier noch anstand. Stolz posierte sie mit ihrem Zeugnis. Anstatt der sonst üblichen Abireise mit ihren Mitschülern, ging es für Kett mit der Nationalmannschaft in die Schweiz.
Statt auf Lloret de Mar, Mallorca oder Korfu steigt Ketts nächstes Abenteuer, das EM-Halbfinale, im Züricher Letzigrund. Das Finale fände dann in Basel statt. Die Titel-Träume seien "sehr, sehr groß", sagte Kett und fügte hinzu: "Wir haben jetzt sehr viel Selbstbewusstsein und damit gehen wir ins nächste Spiel."