Den Fall Nicolas Jackson chronologisch aufzudröseln, ähnelt einem Drama in mindestens zehn Akten. Immer wieder hieß es, die Leihe sei fix, kurz darauf folgte das kollektive Zurückrudern der Medien und Transfer-Journalisten, nur um wenig später wieder zu vermelden: Der Deal mit Jackson, der ist noch heiß. Am Ende dieses mehraktigen Schauspiels stellt sich nur die Frage: Ist das jetzt ein Happy End?
Jackson als Reaktion auf die Kader-Kritik
Eines ist jedenfalls sicher: Nicolas Jackson war nicht der erste, nicht der zweite, nicht der dritte Name auf dem Wunschzettel der Münchner. Vielleicht stand der Senegalese zu Beginn der Transferperiode gar nicht auf der Liste des deutschen Rekordmeisters. Vor ihm buhlte Sportvorstand Max Eberl erfolglos um Florian Wirtz, flirtete mit Nico Williams und machte Nick Woltemade den Hof.
Weniger Romantik hingegen bei Jackson: Er ist, und daran gibt es wohl keine Zweifel, ein Last-Minute-Kandidat, eine Zwecklösung. Eine Reaktion auf die Kader-Kritik (selbst der sonst so stoische Harry Kane hatte sich öffentlich kritisch geäußert).
Parallelen zur Posse um Palhinha
Das Chaos zum letzten Transfer-Akt hat Parallelen zur Posse um Palhinha vor zwei Jahren. Damals wurde der Portugiese Joao Palhinha vom FC Fulham verpflichtet - und das, obwohl es bis zum letzten Tag der Transfer-Periode noch hieß, der Deal sei geplatzt. Uli Hoeneß hatte damals klar gesagt, was er von der Aktion hielt und setzte künftige Last-Minute-Transfers auf den Index: "Von Ausnahmefällen abgesehen, sollten wir in Zukunft am letzten Transfertag nicht mehr mitten im Geschehen sein", sagte der Ehrenpräsident damals zur Süddeutschen Zeitung. Und schon zwei Jahre später wiederholte sich genau das, was Hoeneß so an den Pranger stellte.
Schmeißt Eberl hin?
Es dürfte also kein Zufall sein oder zumindest ein Mitgrund dafür, dass es in der Gerüchteküche brodelt: Wie die "tz" berichtet, soll Max Eberl selbst mit dem Gedanken spielen, freiwillig sein Amt niederzulegen. Dieser Eindruck soll bei der Aufsichtsratssitzung vergangene Woche entstanden sein. Der 51-Jährige wäre von der Transferpolitik des Klubs "genervt". Ein Rücktritt sei für den Sportvorstand aber "aktuell kein Thema", berichtete die Bild daraufhin.
FC Bayern hat seine Strahlkraft verloren
Die Kritik an Eberl wurde in den vergangenen Wochen immer lauter. Seine Jackson-Leihe wird vom "Kicker" gar als "Akt der Verzweiflung" bezeichnet. Jackson verkörpert die vielbesprochene verlorene Strahlkraft des FC Bayern. Der frühere FCB-Spieler Thomas Helmer etwa sagte bei "Blickpunkt Sport" im BR-Fernsehen: "Wenn der FC Bayern gerufen hat, sind wir gekommen. Diesen Status haben sie verloren."
Nicolas Jackson: Happy End oder Reinfall?
Die Anziehungskraft des "FC Hollywood" (diesen Ruf hatte der Verein vor allem in den goldenen 90er-Jahren) lässt nach. Der FCB versuchte dieses Jahr zwar, die Stars anzuziehen, die Top-Spieler aber gingen nach England und folgten dem Geld. Mit den dicken Gehältern der Premier League kann die Bundesliga einfach nicht mehr mithalten. Und so kommt es, dass Woltemade nach Newcastle United wechselte und Wirtz zum FC Liverpool.
Kompany kann Jackson vielseitig einsetzen
Kann man nach Absagen der "drei Ws" - von Wirtz, Williams und Woltemade - bei der Jackson-Leihe von einem Happy End sprechen? Das wird sich wohl erst zeigen, wenn sich Jackson auf dem Platz zeigt. Was für den 24-Jährigen spricht: Er ist im Zentrum und auf den Flügeln vielseitig einsetzbar, Jackson hat dem FC Chelsea in 65 Premier-League-Spielen 24 Tore und zehn Assists beschert, ist 1,87 Meter groß.
FCB-Trainer Kompany kann mit ihm auf eventuelle Ausfälle reagieren - und genau das wollte Eberl wohl bezwecken: Er wollte sich bei möglichen Ausfällen in der Offensive absichern und den als zu dünn kritisierten Kader aufpeppen. Auf der anderen Seite aber stehen die Finanzen: eine Leihe für 16,5 Millionen, weitere 65 bis 80 Millionen für einen Kauf (die Vertragseinzelheiten sind noch nicht offiziell bekannt). Fest steht aber: Die Leihe war teuer und der mögliche Kauf würde nochmal mehr ins Geld gehen.
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