Zwei junge Krebspatientinnen trainieren im Sportraum der Kinderonkologie-Station im Uniklinikum Erlangen. Die 13-jährige Jana trägt ein Kopftuch. Neben ihr steht ein Wagen mit einem Infusionsgerät. Während sie sich am Rudergerät auspowert, läuft die Infusion weiter. "Es macht Spaß und es ist einfach etwas anderes, als die ganze Zeit im Zimmer rumzuliegen und aufs Handy zu schauen", sagt die junge Krebspatientin. Auch Cemre mag die Abwechslung mit den Sporttherapeuten. "Ich mag das Laufband, Rudern und Reden. Ich rede hier gerne beim Sport machen", erzählt die Zwölfjährige. Die Ablenkung vom kräftezehrenden Klinikalltag mit Untersuchungen, Behandlungen und viel Einsamkeit tut den Patientinnen sichtlich gut.
Wirksames Mittel gegen Nebenwirkungen und Beschwerden
Die Sporttherapie soll aber noch viel mehr bewirken, erklärt Kilian Roth, der als Sportwissenschaftler auf der Kinderkrebsstation arbeitet: Die Nebenwirkungen von den Chemos würden weniger, berichtet er über seine Erfahrungen mit den Patientinnen und Patienten. Professor Markus Metzler, der Leiter der Kinderonkologie, hat das Sporttherapie- Angebot vor einigen Jahren selbst ins Leben gerufen. Er fragt sich, wie manch andere Kinderkrebsstationen ohne ein derartiges Sportangebot auskommen können: "Der Sport hat beste Wirksamkeit gegen Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, auch oft Übelkeit. Durch die körperliche Aktivität wird hier deutlich besser dagegengehalten als mit jeder anderen Maßnahme", so der Arzt.
Nur Spenden halten Sporttherapie am Leben
Dass es die Sporttherapie an der Uni-Klinik in Erlangen gibt, ist aber keine Selbstverständlichkeit. Nur wenige Krankenkassen übernehmen bislang die Kosten. Die insgesamt vier Sporttherapeuten auf der Erlanger Kinderkrebsstation müssen also Jahr für Jahr Spenden sammeln, um ihren Job zu finanzieren, erklärt Sportwissenschaftler Nils Holle: "Manchmal hat man Glück, dass ein Drittmittel-Projekt für zwei Jahre läuft. Aber an sich ist es immer eine Jahresgeschichte. Man muss immer im Laufe des Jahres gucken, dass wieder genug Unterstützung da ist, um unsere Verträge für das nächste Jahr auch wieder zu sichern." Trotzdem gewinnen die Sporttherapeuten ihrem Job so viel Sinnhaftigkeit ab, dass sie die Unsicherheit in Kauf nehmen.
Nur wenige Krankenkassen zahlen für Sporttherapie
Warum aber zahlen nur wenige Kassen für die Sporttherapie? Die meisten Kinder und Jugendlichen seien bei der AOK versichert, so die Uniklinik. Die zahle aber eben – wie viele andere Krankenkassen – nicht für die Sporttherapie. Auf eine Anfrage des Bayerischen Rundfunks antwortet die AOK Bayern schriftlich, dass ihr zwar eine qualitativ hochwertige Behandlung von krebskranken Kindern sehr am Herzen liege, sie sich aber an geltendes Recht halten müsse. "Die genannte Sporttherapie ist nicht Teil des gesetzlichen Leistungskatalogs, den der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für alle gesetzlichen Krankenkassen gleichermaßen festlegt", heißt es weiter von der AOK. Die Behandlung krebskranker Kinder in der Klinik werde über Fallpauschalen abgerechnet.
Das heißt: Die Klinik erhält über die sogenannten Fallpauschalen einen festen Betrag für die Behandlung eines Patienten – basierend auf Diagnose und Behandlung, unabhängig von den tatsächlichen Kosten. Diese Begründung der AOK Bayern überzeugt die Sporttherapeuten aber nicht. Beispielweise die Techniker Krankenkasse würde die Kosten ja schon übernehmen – im Rahmen der sogenannten "Ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation".
Sporttherapeuten wollen weiter für Finanzierung kämpfen
Die Erlanger Sporttherapeuten und Professor Metzler müssen also erstmal weiter Spenden sammeln. "Wir machen das schon viele Jahre und wir sind sehr, sehr dankbar, dass es Spender gibt, die uns unterstützen. Aber manchmal wird man mürbe dabei, dass man, so mühsam um etwas kämpfen muss, was offensichtlich so gut ist." Die Erlanger Sporttherapeuten wollen sich aber nicht unterkriegen lassen und weiter dafür kämpfen, dass alle Krankenkassen anerkennen, wie wichtig Sport für krebskranke Kinder und Jugendliche ist. Und dass sie endlich die Sport-Therapiekosten übernehmen.
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