Der deutschen Wirtschaft fehlen zunehmend die Fachkräfte. Um dem entgegenzuwirken, will die Koalition aus CDU, CSU und SPD die Aktivrente einführen. Konkret bedeutet das: Wer länger arbeitet, soll steuerlich profitieren. Das soll das Arbeiten für Rentner attraktiver machen – und den Arbeitgebern die dringend benötigten Fachkräfte erhalten. Bundeskanzler Merz sei sicher, mit dieser Methode die richtigen Anreize dafür zu setzen.
Doch worauf müssen sich Rentnerinnen und Rentner einstellen, die erwerbstätig sind? Wer könnte profitieren? Und: Welche Steuerausfälle könnten durch die Aktivrente auf die Staatskasse zukommen? Ein Überblick:
Was bedeutet die Aktivrente für erwerbstätige Rentner?
"Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, bekommt sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei", hieß es schon im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Bis zu 24.000 Euro pro Jahr könnten sich Rentnerinnen und Rentner also ab dem 1. Januar 2026 steuerfrei dazuverdienen. Zum Vergleich: Aktuell fällt für erwerbstätige Rentner nur dann keine Einkommenssteuer an, wenn der Hinzuverdienst zur Rente bei maximal 556 Euro im Monat liegt. Dann nämlich gilt die Erwerbstätigkeit als Minijob.
Wer genau könnte von der Aktivrente profitieren?
Laut Koalitionskreisen soll das System zunächst nur für Arbeitnehmende, nicht aber für Selbstständige gelten. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hatte dies kürzlich als mögliches Problem genannt: "Im Sinne des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung müsste auch für Selbstständige, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, der Freibetrag gelten".
Auch in einem bislang unklaren Punkt scheint eine Einigung gefunden: Die Aktivrente soll erst dann möglich sein, wenn das gesetzliche Renteneintrittsalter erreicht ist – so will die Koalition einen Missbrauch der Regeln und Steuermindereinnahmen verhindern.
Fest steht: Besserverdienende würden von der steuerlichen Neuregelung profitieren – während Minijobber leer ausgingen, kritisiert etwa der Sozialverband VdK. Denn: Menschen, die mit einem Minijob ihre Rente aufbessern, müssen ihren Hinzuverdienst ohnehin nicht versteuern.
"Am meisten hilft es denen mit hohen Einkommen, denn die haben die höchsten Steuersätze und werden dementsprechend am stärksten begünstigt", erklärt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) dem BR. Geringverdiener würden mit der Maßnahme dagegen kaum erreicht, so Weber.
Außerdem gelte die Aktivrente ohnehin nur für all jene, die es schaffen, ihren Job bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter und darüber hinaus auszuüben, kritisiert Michael Popp, Referent für Alterssicherung beim Sozialverband VdK.
Wie viele bayerische Rentner betrifft die Aktivrente?
Laut dem IAB üben bayernweit knapp 64.000 Menschen über dem gesetzlichen Renteneintrittsalter eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aus (Stand: Februar 2025). Sie könnten von der Steuervergünstigung profitieren. Die rund 192.000 geringfügig beschäftigten Rentner in Bayern würden durch die Aktivrente nicht begünstigt.
Was würde das für die deutschen Steuerkassen bedeuten?
Grundsätzlich gilt: Die Aktivrente bedeutet Steuereinbußen für den Staat. Denn bereits heute gehen viele Rentnerinnen und Rentner nebenher einer Beschäftigung nach und zahlen Einkommenssteuer. Sie würden von der Aktivrente profitieren, müssten also weniger Steuern zahlen. Für die Höhe dieses sogenannten "Mitnahmeeffekts" gibt es unterschiedliche Schätzungen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht von rund 800 Millionen Euro Steuerverlusten aus.
Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) könnten sich die Steuerverluste auf 1,4 Milliarden Euro belaufen, wenn nur die nicht-selbstständigen Altersrentner über der Regelaltersgrenze berücksichtigt würden. Noch höher könnten die Verluste ausfallen, wenn selbstständige Rentnerinnen und Rentner ebenfalls von der Aktivrente profitieren würden oder auch besonders langjährig Versicherte berücksichtigt würden.
Werden dadurch wirklich mehr Rentnerinnen und Rentner arbeiten?
Ob die Steuervergünstigung mehr Menschen zum Arbeiten motivieren wird, ist fraglich: Für die meisten Beschäftigten, die über ihre Regelaltersgrenze hinaus arbeiten wollen, seien nicht nur finanzielle Motive, sondern auch der Spaß an der Arbeit oder soziale Kontakte ausschlaggebend, argumentiert etwa das Institut der deutschen Wirtschaft.
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft begrüßt dagegen die Pläne der Bundesregierung: "Die Aktivrente kann dazu beitragen, mehr Ältere zu motivieren, im Arbeitsmarkt zu verbleiben", sagt Geschäftsführer Bertram Bossardt. Genauso wichtig sei es aber auch, weitere Maßnahmen zu ergreifen – etwa die Verlängerung von Beschäftigungsverhältnissen über die Regelaltersgrenze hinaus zu erleichtern.
Dieser Artikel ist erstmals am 01. September 2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
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