"Chipmangel in der Industrie nimmt zu": In einer aktuellen Umfrage des Münchner ifo-Instituts melden zehn Prozent der befragten Unternehmen Engpässe, Tendenz seit dem Frühjahr stark steigend. "Die Handelsbeschränkungen für Seltene Erden zeigen ihre Wirkung", so Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen. Das zeigt: China nutzt seine Marktmacht als politisches Druckmittel. Denn rund 70 Prozent der Rohstoffe, die für Chips nötig sind, liegen in der Volksrepublik. Und sogar 90 Prozent werden dort verarbeitet.
Von der Leyen: Wirtschaft ist ein zentrales Machtinstrument
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte kürzlich in einer Rede: "Die Wirtschaft ist in unserer heutigen Welt zum zentralen Machtinstrument geworden. Diejenigen, die an den Hebeln der Wirtschaft sitzen, sind diejenigen, die Kontrolle über andere ausüben können. Über die weltweiten Lieferketten. Über die neuen wegweisenden Technologien." Das ist ein klarer Hinweis auf China.
Im April hatte die Volksrepublik erste Exportbeschränkungen für einige der sogenannten Seltenen Erden eingeführt – diese sind eine Gruppe von chemischen Elementen, die für die Produktion von vielen elektronischen Geräten wie Handys, Elektromotoren, Batterien und Leuchtmitteln nötig sind. Seither hat Peking seine Beschränkungen verschärft, zuletzt Anfang Oktober. Dadurch brauchen Firmen Genehmigungen, wenn sie technische Geräte aus China verkaufen wollen, mit denen Seltene Erden hergestellt werden. Das könnte dazu führen, dass außerhalb Chinas keine Produktionsstätten für Seltene Erden entstehen – China will sein Marktmonopol schützen, weil dies geopolitische Macht bedeutet.
Europa will unabhängig von Seltenen Erden aus China werden
In dieser Lage kündigt die EU-Kommissionspräsidentin an, Europa unabhängig machen zu wollen: "Wir werden Investitionen in strategische Projekte zur Herstellung und Verarbeitung kritischer Rohstoffe hier in Europa ankurbeln." Und die EU werde enger mit Ländern wie Australien und Kanada zusammenarbeiten, um Engpässen vorzubeugen. Die USA erwähnte von der Leyen in ihrer Rede als Teil einer möglichen Lösung nicht.
Weil Amerika unter Trump ein Teil des Problems ist? Auf das bevorstehende Treffen von Donald Trump und Xi Jinping scheint von der Leyen jedenfalls nicht zu setzen. Politologen befürchten, dass die beiden Supermächte künftig Deals untereinander schließen – und sich nicht länger an internationale Regeln halten. Angela Stanzel von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin sagte kürzlich im ARD-Podcast Welt.Macht.China: "Wir sind in bestimmten Bereichen extrem abhängig von China, und China hat angefangen, diese wirtschaftliche Abhängigkeit als Zwangsmaßnahme zu nutzen, zu versuchen, uns zu erpressen."
Poker zwischen Trump und Xi um die Handelsroute südchinesisches Meer?
Stanzel, die Sinologie studiert hat und Expertin für Sicherheitsfragen ist, denkt dabei nicht nur an das Problem Seltene Erden. Sondern auch an den Transport von Hightech-Waren nach Europa. Denn Asien ist die entscheidende Weltregion in der Produktion von Computerchips – die leistungsstärksten von ihnen werden hauptsächlich auf Taiwan entwickelt. Die Volksrepublik beansprucht die demokratisch regierte Insel Taiwan als eigenen Landesteil und droht ihr sogar mit Krieg. Aber die USA sind seit Jahrzehnten Schutzmacht von Taiwan, wie auch von Anrainerstaaten des südchinesischen Meers. In diesem Teil des Pazifiks dehnt Peking seine Machtstellung immer mehr aus, was zu Konflikten etwa mit den Philippinen und Vietnam führt.
Problem für Europa: Sowohl die Gewässer um Taiwan als auch das südchinesische Meer sind genau jene Handelsrouten, die Frachter mit Hightech-Waren passieren müssen. Für Angela Stanzel wäre folgendes Szenario besonders schlimm: "Wenn Trump sich überlegt, dass er so eine Art Deal machen würde, das südchinesische Meer in chinesische Hände fallen zu lassen." Ohne die Schutzmacht USA könnten sich Taiwan oder die Philippinen nicht behaupten, ist Stanzel überzeugt. Umso wichtiger sei es, dass sowohl für China als auch die USA internationale Beziehungen wichtig blieben: "Wir in Deutschland und in Europa haben ein Interesse daran, dass Regeln international eingehalten werden. Dazu gehört auch freie Schifffahrt, die uns Konsumgüter ermöglicht." Das Recht des Stärkeren dürfe nie entscheidend über den Zugang zu ihnen werden.
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