Etwa 5,5 Millionen Menschen beziehen Bürgergeld – mit der neuen Grundsicherung ändert sich einiges. Zentral im Gesetzentwurf sind schärfere Regeln und damit verbundene schnellere Leistungskürzungen. Als Pflichtverletzung gelten beispielsweise das Nicht-Erscheinen bei Terminen im Jobcenter oder die Ablehnung einer zumutbaren Arbeit oder Weiterbildung. So kann die monatliche Zahlung bei Pflichtverletzungen direkt um 30 Prozent gekürzt werden.
- Zum Artikel: "Aus Bürgergeld wird Grundsicherung: Was bedeutet die Reform?"
Wer bei zwei Terminen ohne triftigen Grund fehlt, wird ebenso mit solchen Kürzungen rechnen müssen. Beim dritten Mal droht die komplette Streichung der Zahlungen. Und wer sich danach innerhalb eines Monats immer noch nicht meldet, für den entfällt der Anspruch auf Leistungen komplett, auch die Unterstützung für die Wohnung. Allerdings sollen Menschen, die als nicht erreichbar gelten, noch eine Gelegenheit zur Anhörung bekommen.
Welchen Effekt können die Änderungen haben?
Die Mitwirkungspflicht wird also erhöht. Mit einem vorsichtigen "Ja" beantwortet der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Bernd Fitzenberger, die Frage, ob die Reform in die richtige Richtung geht. Bestimmte Dinge würden zurechtgerückt. Zudem ermögliche ein bisschen mehr Druck die Einhaltung der Regeln. Man dürfe nur nicht über das Ziel hinausschießen. Der erstbeste Job, der nicht in den Arbeitsmarkt integriert, sei nicht sinnvoll.
Was ist noch vorgesehen?
Änderungen soll es auch bei der Anrechnung von Vermögen geben. Die bislang geltende einjährige Karenzzeit soll abgeschafft werden, in der höhere Vermögen und Wohnkosten weitgehend geschützt waren. Zudem soll die Miete künftig gedeckelt werden. Gezahlt wird nur noch das Anderthalbfache der angemessenen Summe. Die ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Bisher gilt: Im ersten Jahr im Bürgergeld wird die Miete auch dann übernommen, wenn sie eigentlich zu hoch ist. Verbunden mit der neuen Grundsicherung ist der Wunsch der Politik, auch gegen den Missbrauch von Sozialleistungen vorzugehen. Dazu zählen verschärfte Maßnahmen gegen Schwarzarbeit und eine verstärkte Arbeitgeberhaftung. Dazu wären wahrscheinlich mehr Kontrollen nötig.
Halten die Sanktionen vor Gericht?
Grüne und Linkspartei halten die verschärften Sanktionen für verfassungswidrig. Der frühere Präsident des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, hingegen kommt in einem Gutachten zu dem Schluss, dass auch vollständige Streichungen der Leistungen mit dem Grundgesetz vereinbar sein können. Das Bundesverfassungsgericht hatte Totalsanktionen 2019 enge Grenzen gesetzt. Der vollständige Wegfall sei "auf Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben nicht vereinbar", hieß es damals. Genauso aber auch: "Wird eine solche tatsächlich existenzsichernde und zumutbare Erwerbstätigkeit ohne wichtigen Grund verweigert, obwohl im Verfahren die Möglichkeit bestand, dazu auch etwaige Besonderheiten der persönlichen Situation vorzubringen, kann ein vollständiger Leistungsentzug zu rechtfertigen sein."
Gibt es Widerstand innerhalb der Koalitionsparteien?
Mehrere SPD-Mitglieder haben eine Mitgliederbefragung angestoßen, um eine geplante Verschärfung zu verhindern. Die Initiatorinnen erreichten die erste Hürde, um das eigentliche Begehren starten zu können, wie von Seiten des SPD-Parteivorstands am Montag auf Anfrage mitgeteilt wurde. Zuvor hatte die Berliner "tageszeitung" (taz) darüber berichtet.
"Das Quorum der ersten Stufe wurde am 19. Dezember 2025 erfüllt", hieß es aus der SPD-Zentrale. Dafür waren die Unterschriften von einem Prozent der Parteimitglieder erforderlich. Der Start des eigentlichen Mitgliederbegehrens soll nun vom Parteivorstand in Abstimmung mit den Initiatorinnen festgelegt werden. Für einen Erfolg ist dann die Zustimmung von mindestens 20 Prozent der SPD-Mitglieder erforderlich.
Die Initiatorinnen sind die frühere Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel, die stellvertretende bayerische SPD-Landesvorsitzende Eva-Maria Weimann und die thüringische SPD-Politikerin Melissa Butt. In dem "taz"-Bericht wird darauf hingewiesen, dass das nun anlaufende SPD-Mitgliederbegehren auch terminlich für Probleme in der Koalition sorgen könnte. Um die Reform zum 1. Juli 2026 umzusetzen, müsste das Gesetz im Frühjahr vom Bundestag beschlossen werden. Bis dahin ist die Zeit jedoch knapp, um das SPD-Mitgliederbegehren abzuschließen.
Mit Informationen von dpa und AFP.
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