Rindviehfütterung mit frisch gemähtem Gras direkt im Kuhstall.
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(Symbolbild) Mehr Bürokratie, schlechtere Preise: Der Entwurf des EU-Parlaments gefällt nicht allen.
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Lieferverträge Ja oder Nein? EU-Vorhaben spaltet Landwirte

Lieferverträge Ja oder Nein? EU-Vorhaben spaltet Landwirte

Eine Entscheidung des EU-Parlaments sorgt für Aufsehen in der Agrarbranche: Langfristige Verträge mit festen Preisen sollen für landwirtschaftliche Produkte zur Pflicht werden. Die Meinungen der Landwirte dazu gehen weit auseinander.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio Infoblock am .

Es klingt simpel, könnte aber den Agrarsektor grundlegend verändern: Geht es nach Plänen des EU-Parlaments, müssen Molkereien oder Agrarunternehmen mit Landwirten einen längerfristigen Vertrag über Menge und Preis der Lieferungen abschließen.

Während der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) diesen Schritt als dringend notwendig erachtet, nennt es der Deutsche Bauernverband dafür einen Schritt zurück in die Planwirtschaft. Er erwartet Milliardenverluste für die Bauern allein in Deutschland. Auch Bayerns Ministerin Michaela Kaniber spricht von "neuer Bürokratie" statt "fairer Marktbedingungen".

Worum geht es?

Am vergangenen Mittwoch hat das EU-Parlament einem Vorschlag der EU-Kommission in großen Teilen zugestimmt. Es geht um eine Novelle der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO). Diese regelt unter anderem auch die kontrovers diskutierte Umbenennung von Fleischersatzprodukten.

Doch das Vorhaben beinhaltet mehr als das: in Artikel 148 geht es um eine Grundsatzentscheidung im Agrarmarkt. Das EU-Parlament hat dafür gestimmt, dass Landwirte und ihre direkten Abnehmer schriftliche Verträge abschließen sollen, die Abnahmemenge und Preis für mindestens sechs Monate fixieren. Eingebracht hatte den Vorschlag der europäische Agrarkommissar Christophe Hansen (EVP).

Feste Lieferverträge: So könnten sie Landwirte stärken

Vor allem die Funktionsweise des Milchmarktes könnte das grundlegend verändern. Denn in einem klassischen Milchabnahmevertrag mit einer Privatmolkerei erfahren Landwirte in der Regel erst rückwirkend, wie viel Geld sie für die gelieferte Milch bekommen. Im Gegenzug verpflichtet sich die Molkerei zur vollständigen Abnahme der erzeugten Milch.

In der Vergangenheit hatte etwa das Bundeskartellamt ein Machtgefälle zugunsten der Molkereien festgestellt. Die Neuerung soll das korrigieren. Nicht nur der Bund Deutscher Milchviehhalter begrüßt das Vorhaben deshalb. Die Bauernvereinigung "LSV Deutschland" teilte mit, die Reform bringe "endlich klare Verträge, faire Preisbildung und mehr Schutz für bäuerliche Betriebe".

Feste Lieferverträge: so könnten sie Landwirte schwächen

Das mit der Planungssicherheit für Landwirte, stimme, sagt Holger Thiele, Professor für Agrarökonomie an der Fachhochschule Kiel. Auf bessere Preise und eine stärkere Stellung in der Wertschöpfungskette könnten sich Landwirte deshalb aber nicht einstellen. Im Gegenteil: "Landwirte werden erst einmal weniger Liquidität auf dem Hof haben", sagt er.

Denn das Vorhaben hebele ein Grundprinzip der Marktwirtschaft aus, wonach Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Da die Kontrakte für mindestens sechs Monate im Voraus geschlossen werden, wüssten Molkereien nicht, wie sich die Nachfrage dann entwickeln wird. Dies ist der Grund, warum beispielsweise Butterkontrakte nur für ein bis zwei Monate geschlossen würden. Bei längerfristigen Preiszusagen würden Molkereien sogenannte Risikoabschläge machen – und den Milchpreis unterhalb des zu erwartenden Preises festlegen. Die Folge: die Landwirte erhalten zwar einen sicheren, aber möglicherweise niedrigeren Preis.

Einbußen von bis zu einer Milliarde Euro befürchtet

Das sieht auch der Deutsche Bauernverband so. Er geht laut Berechnungen davon aus, dass der deutschen Landwirtschaft bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr fehlen könnten. Hinzu käme der bürokratische Aufwand. Peter Köninger, Milchbauer und Vorsitzender des Landesfachausschusses für Milch im Bayerischen Bauernverband sagte gegenüber BR24: Das Vorhaben bedeute "Aufwand ohne Ende". Er verstehe nicht, "wieso unsere Strukturen infrage gestellt werden sollten."

Regelung gilt auch für Genossenschaftsmolkereien

Zumindest in Deutschland stehe man bei der Vermarktung "relativ gut da". Es gebe bereits ehrenamtlich geführte Erzeugergemeinschaften, die mit Molkereien den Milchpreis im Voraus verhandelten. Außerdem führe die Pflicht zum Vertrag Genossenschaftsmolkereien ad absurdum, wo die milchgebenden Landwirte auch gleichzeitig die Eigentümer der Molkerei sind. Doch laut Plänen des EU-Parlaments soll auch für Genossenschaften die Vertragspflicht gelten.

Prof. Thiele von der Fachhochschule Kiel gibt zu bedenken: im Falle einer Missernte oder bei Krankheiten im Stall seien Landwirte nicht abgesichert, weil die Verträge auch eine Menge der Agrarprodukte festschreibt. Diese sei aber nicht immer vom Landwirt eindeutig zu steuern.

Wie geht es jetzt weiter?

Am kommenden Dienstag gehen die Pläne des EU-Parlaments in den sogenannten Trilog mit Kommission und Rat. Für Deutschland wird Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) verhandeln. Deutschland hat sich bereits gegen eine verpflichtende Regel zu Lieferverträgen ausgesprochen. Auch Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) fordert: Die Bundesregierung müsse sich in Brüssel gegen die Pläne stellen, weil sie "unseren Landwirten schaden".

Deutschland will sich im Trilog dafür starkmachen, dass Ausnahmen zur Vertragspflicht einfacher möglich werden. Aktuell sieht der Entwurf des EU-Parlaments Ausnahmen zwar vor, allerdings explizit nicht für den Milchsektor.

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