In puncto Künstlicher Intelligenz (KI) hinkt Europa, etwa im Vergleich mit den USA, deutlich hinterher. Dort werden derzeit mehrstellige Milliardenbeträge in gigantische Rechenzentren investiert. Die immense Computerleistung wird benötigt, um KI zu trainieren und weiter zu verbessern. Nur wer über eine solche Infrastruktur verfügt, kann bei dem Thema ganz oben mitspielen. Viele der Rechenzentren in den USA werden dabei vom Chip-Riesen Nvidia ausgestattet. Dessen Prozessoren gelten als besonders leistungsfähig.
Minister Aiwanger prescht vor
Insofern lässt es aufhorchen, dass Nvidia gemeinsam mit der Deutschen Telekom in ein Großprojekt anvisiert. Entsprechende Berichte wurden vom bayerischen Wirtschaftsministerium indirekt bestätigt. Minister Hubert Aiwanger ließ mitteilen: "Die Errichtung des Rechenzentrums ist ein starkes Signal für Bayern als einen der führenden Hightech-Standorte Europas." Im Freistaat werde damit erneut eine erhebliche Summe in Zukunftstechnologien investiert. Allerdings wird der Freistaat selbst dafür kein Geld ausgeben. Es gebe keine finanzielle Beteiligung, heißt es im Ministerium auf Nachfrage.
Telekom bestätigt Berichte über Rechenzentrum nicht
Bei der Deutschen Telekom gibt man sich sehr zurückhaltend. Die Pressestelle verweist lediglich auf eine große Ankündigung am 4. November in Berlin. Vorab beteilige man sich nicht an Spekulationen. Tatsächlich plant die Telekom gemeinsam mit Nvidia ein Rechenzentrum in Deutschland. Ob das nun in München gebaut wird oder woanders, dazu will der Bonner Konzern momentan nichts sagen. Wobei der Vorstoß des bayerischen Wirtschaftsministers auch nicht dementiert wird.
Wie groß wäre das Rechenzentrum?
Telekom und Nvidia wollen Rechenpower mit 10.000 Prozessoren (GPUs) aufbauen. Diese abstrakte Zahl wird etwas greifbarer, wenn man sie mit dem vergleicht, was in den USA geplant oder schon umgesetzt ist. Im Bundesstaat Texas etwa gibt es eine Anlage, die es auf mehrere hunderttausend GPUs bringt. Und fast schon größenwahnsinnig erschienen die Ankündigungen von Meta-Chef Marc Zuckerberg, für ein Rechenzentrum mit der Größe Manhattans und einem Investitionsvolumen von 100 Milliarden Dollar.
Im ARD Podcast Plusminus geht es hier um die Frage, ob der weltweite KI-Boom vielleicht nur eine Blase ist - und was passieren würde, wenn sie platzt.
Dagegen wirkt das Eine-Milliarde-Projekt von Telekom und Nvidia in München ziemlich bescheiden. Es kann also nur ein Baustein von mehreren beim Aufbau einer KI-Infrastruktur in Europa und Deutschland sein. Der Beratungsfirma Deloitte zufolge muss Deutschland in den kommenden fünf Jahren bis zu 60 Milliarden Euro in KI-Infrastruktur investieren, um international mithalten zu können.
Plan: weiteres Rechenzentrum in Schweinfurt
Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger hofft, dass sich durch das Münchner Großprojekt (falls es denn wirklich kommt) die Erfolgschancen für eine KI-Gigafactory in Bayern erhöhen könnten. Solche KI-Leistungszentren sollen in Europa an mehreren Standorten entstehen, mit finanzieller Unterstützung der EU. In Deutschland hätten mehrere Bundesländer gerne eine dieser Gigafactories.
Denkbar wäre nun laut Aiwanger eine kombinierte Lösung des Münchner Rechenzentrums mit einem "Zwillings-Rechenzentrum" in Schweinfurt. Im Wirtschaftsministerium kann man sich eine Bewerbung bei der Europäischen Kommission mit dieser Doppellösung gut vorstellen. Ausgemachte Sache ist diese Bewerbung allerdings noch lange nicht. Insidern zufolge hat ein mögliches neues Rechenzentrum in München nichts mit der Gigafactory-Initiative zu tun. Bei der Telekom betrachtet man das demnach als zwei getrennte Projekte.
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