Beim Alten Wirt in München Grünwald herrscht geschäftiges Gewusel. Es ist kurz vor 13 Uhr, Mittagstisch. In der Stube sind etwa die Hälfte der Tische besetzt. Jakob Portenlänger, der den Gasthof in vierter Generation führt, ist zufrieden. Er ist Gastronom "mit vollem Herzen", wie er im Gespräch mit BR24 erzählt. Trotzdem: Derzeit müsse er seine Zahlen besonders gut im Blick haben. "Es sind auf jeden Fall herausfordernde Zeiten."
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Bundestag beschließt Steuersenkung - Länder kritisieren
Eine deutliche Erleichterung dürfte ein Gesetzesentwurf bringen, der gestern den Bundestag passiert hat - nicht nur für Portenlänger, sondern für viele Gastronomen wie Café-Betreiber, Bäcker, Metzger, Caterer und Lebensmittel-Einzelhändler in Deutschland: Ab 1. Januar soll die Mehrwertsteuer auf Speisen dauerhaft auf sieben Prozent sinken. Erklärtes Ziel ist eine wirtschaftliche Unterstützung der Branche, die zuletzt unter Umsatzrückgängen litt. Wer keine Speisen anbietet, profitiert allerdings nicht: Getränke werden weiter mit 19 Prozent besteuert.
Noch ist das Gesetz nicht beschlossen, kurz vor Weihnachten kommt es in den Bundesrat. Die Abstimmung am 19. Dezember könnte spannend werden: Die Länder und Kommunen sträuben sich gegen das Vorhaben. Für sie würde eine Mehrwertsteuersenkung niedrigere Einnahmen zur Folge haben. Deshalb fordern sie eine Kompensation durch den Bund. Ökonomen schätzen: 3,6 Milliarden Euro würde die Senkung den Staat kosten.
Grünen-Abgeordneter: Schnitzel wird "weder billiger noch besser"
Im Bundestag wurde das Steuerpaket dank Stimmen der CDU, CSU (auf deren Betreiben der Vorschlag im Koalitionsvertrag landete) und der SPD beschlossen. Schon einmal, während der Corona-Pandemie, war die Mehrwertsteuer in der Gastronomie übergangsweise gesenkt worden, um strauchelnde Betriebe am Leben zu erhalten. Diesmal, so sehen es vor allem Abgeordnete der Grünen und der Linken, handle es sich um ein reines Steuergeschenk.
"Mit der Steuersenkung wird das Schnitzel im Wirtshaus weder billiger noch besser und die Bedienung profitiert auch nicht davon", kritisierte etwa der Grünen-Abgeordnete aus der Oberpfalz, Stefan Schmidt, im Bundestag. Tatsächlich haben Branchenverbände wie der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband Dehoga bereits angekündigt, dass sich die Erleichterungen nicht auf der Speisekarte bemerkbar machen werden.
Umfrage: Geld fließt in Investitionen und Gehälter
"Es steht ja in dem Gesetzesentwurf schon drin, dass diese Erleichterung dafür da ist, dass die Gastronomie überleben kann", argumentiert die bayerische Dehoga-Präsidentin Angela Inselkammer. In der Gesetzesvorlage heißt es: "Sowohl die Weitergabe der Steuersenkung an Verbraucherinnen und Verbraucher als auch zusätzliche Investitionen sind möglich."
Einer Umfrage der Dehoga zufolge wollen 73 Prozent der Gastronomen einen Teil des Geldes in Investitionen stecken. Rund 65 Prozent haben zudem angekündigt, die Mittel an ihre Mitarbeiter weiterzugeben. Die Umfrage zeigt auch: Nur etwa acht Prozent der Befragten denken über Preissenkungen nach. Wer darauf gehofft hat, dass Schnitzel, Pizza und Co. wieder günstiger werden, dürfte also meist enttäuscht werden.
Portenlänger: "Wollen weiter das Wirtshaus im Dorf sein"
Ein schlechtes Gewissen hat Inselkammer deshalb nicht, wie sie auf BR-Nachfrage klarstellt: "Es wird ja hier über Geld gesprochen, das wir erst erwirtschaften müssen." Sollte die Senkung auf sieben Prozent nicht kommen, dann müssten ihrer Prognose zufolge "ganz viele Gasthäuser schließen und dann gibt es überhaupt keine Steuereinnahmen mehr".
Mit anderen Worten: Das Schnitzel wird nicht günstiger, dafür ist aber noch jemand da, der es brät. So ähnlich argumentiert auch Gastronom Jakob Portenlänger vom Alten Wirt in Grünwald: "Wir wollen weiterhin das Wirtshaus im Dorf sein, wo man sich trifft, wo jeder vorbeikommen kann auf eine Halbe Bier oder etwas zum Essen - wir wollen so ein bisschen der soziale Schmelztiegel sein."
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