Der Dax ist am Freitag in die Tiefe gerauscht: Nach der chinesischen Ankündigung von Gegenzöllen auf US-Güter hat die Angst vor einem umfassenden Handelskrieg und einer globalen Rezession die Anleger in die Flucht getrieben. Der deutsche Leitindex rutschte zum Wochenschluss – angeführt von deutlichen Verlusten bei den Bankaktien – um bis zu 5,2 Prozent auf 20.500 Zähler in die Tiefe. Auf Wochensicht summierte sich das Minus auf über acht Prozent. Das Börsenbarometer verbuchte damit seinen größten Wochenverlust seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Frühjahr 2022.
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Am deutschen Aktienmarkt wurden zyklische Werte, wie sie vor allem aus den industriellen Branchen kommen, besonders deutlich abgestoßen. Anteile der Deutschen Bank rutschten am Dax-Ende etwa um fast zehn Prozent ab. Zu den größeren Verlierern gehörten auch die Aktien von Infineon, die im Abwärtsstrudel des Technologiesektors 7,1 Prozent verloren. In der Halbleiterbranche hielt sich die Sorge, dass auch dieser Industriezweig noch auf happige Zölle gefasst sein muss.
Handelskrieg: ARD-Börsenexpertin Anja Kohl schätzt ein
ARD-Börsenexpertin Anja Kohl
Wirtschaftsexperten: Bald negative Folgen spürbar
Der Euro Stoxx 50 gab 4,6 Prozent nach, an der Börse in Japan hatte sich die Talfahrt vom Vortag ebenfalls fortgesetzt. Heftige Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und weitere Kursverluste seien jederzeit vorstellbar, sollten die Zölle in Kraft treten und lange bestehen bleiben, warnt Thomas Altmann von "QC Partners", einer Asset Management-Gesellschaft. Auch die Strategen von Marcard, Stein & Co. prognostizierten: "Die negativen wirtschaftlichen Folgen der US-Zollpolitik werden nicht lange auf sich warten lassen." DZ-Bank-Analyst Sören Hettler erklärte, Anleger flüchteten in sichere Anlagen und die Kurse suchten ihren Boden.
In den USA sackte der Dow Jones Industrial zuletzt um 3,4 Prozent ab, während der Nasdaq 100 3,8 Prozent verlor. Mittlerweile hat der technologielastige US-Index seit seinem Rekordhoch im Februar schon fast 20 Prozent eingebüßt.
US-Präsident Donald Trump hatte am Mittwoch angekündigt, dass er einen Basiszollsatz von zehn Prozent auf alle Importe in die USA und höhere Zölle auf Dutzende anderer Länder erheben werde. Für die EU sollen dabei 20 Prozent gelten, für China sind 34 Prozent vorgesehen. Nun reagierte auch China mit Gegenmaßnahmen. Auf alle US-Waren werde ebenfalls ein Zoll von 34 Prozent fällig, kündigte das Finanzministerium am Freitag an. Dieser soll ab dem 10. April gelten. Noch besteht unter den Investoren die Hoffnung, dass sich die Spirale aus Zöllen und Gegenzöllen durch Verhandlungen aufhalten lässt. "Dagegen spricht jedoch, dass der US-Präsident regelmäßig betont, die zu erwartenden Zolleinnahmen zur Budgetsanierung und Finanzierung von Steuersenkungen heranziehen zu wollen", erklären Analysten der LBBW.
Trump will "kranke" US-Wirtschaft heilen
Die Wirtschaft habe viele Probleme gehabt, sagte Präsident Trump am Donnerstagabend (Ortszeit) vor der Rückreise zu seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida. "Sie war ein kranker Patient", der jetzt aber gerettet sei. "Die Wirtschaft wird boomen", versicherte er. Sein Vizepräsident JD Vance sprach von einem "Übergang", den die Wirtschaft zu durchlaufen habe. Vance zeigte sich angesichts der massiven Kursverluste auch an den US-Börsen nicht überrascht. "Ehrlich gesagt dachte ich, dass es auf den Märkten in gewisser Weise noch schlimmer hätte laufen könnte, denn es handelt sich um einen großen Übergang", sagte er in einem TV-Interview.
Habeck: Arbeiten an harter Antwort
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgieva, sprach von einem "erheblichen Risiko" für die Weltwirtschaft durch Trumps Zölle. Sie appellierte an Washington und seine Handelspartner, "konstruktiv" zusammenzuarbeiten. Die EU will weiter mit Washington verhandeln, zeigte sich aber zunehmend pessimistisch.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte dem irischen Sender "Newstalk Radio", der Schaden hänge davon ab, wie weit die Zölle reichten, wie lange sie andauerten und ob sie erfolgreiche Verhandlungen auslösten: "Sie werden weltweit negative Folgen haben, und die Intensität und Dauer der Auswirkungen wird variieren."
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, dass parallel an einer harten Antwort gearbeitet werde. Demnach könnten Gegenzölle auf zahlreiche US-Produkte verhängt werden. Zudem mehren sich die Rufe, gezielt die großen US-Tech-Konzerne anzugehen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte Unternehmen auf, Investitionen in den USA vorerst auszusetzen.
Mit Informationen von dpa, Reuters und AFP
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