Das Projekt NAVINCLASS kommt aus der Konfliktforschung und richtet sich an Studierende, die sich im Hörsaal begegnen.
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Das Projekt NAVINCLASS kommt aus der Konfliktforschung und richtet sich an Studierende, die sich im Hörsaal begegnen.
Bildrechte: picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopress
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Das Projekt NAVINCLASS kommt aus der Konfliktforschung und richtet sich an Studierende, die sich im Hörsaal begegnen.

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Projekt NAVINCLASS: Konflikten im Hörsaal besser begegnen

Projekt NAVINCLASS: Konflikten im Hörsaal besser begegnen

Überall treffen Menschen mit verschiedenen Meinungen und Hintergründen aufeinander - auch im Hörsaal der Universitäten. Das Projekt NAVINCLASS kommt aus der Konfliktforschung. Ziel: Studierende sollen einen konstruktiven Umgang miteinander lernen.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Abend am .

Die Welt ist in Unruhe: der Angriffskrieg auf die Ukraine, die fragile Waffenruhe in Gaza oder der Bürgerkrieg in Syrien. Das bewegt auch die Menschen in Deutschland. Bei Diskussionen treffen manchmal verschiedene Weltanschauungen aufeinander, was zu Konflikten führen kann. Sie bleiben auch in Hörsälen von Universitäten nicht aus. An der Universität Marburg ist am 1.12.2025 ein Projekt angelaufen, das sich kontroversen Themen stellen will: "Navigating Conflict in the Classroom", kurz NAVINCLASS (externer Link).

Konflikte im Hörsaal mit NAVINCLASS lösen

Das Projekt NAVINCLASS richtet sich an Studierende unterschiedlicher Herkunft oder Religionszugehörigkeit, die sich im Hörsaal begegnen. Sie sollen lernen, trotz unterschiedlicher Meinungen, gut miteinander auszukommen. "Denn verschiedene Perspektiven bieten auch ein hohes Lernpotenzial", sagt der Koordinator des Projekts Stéphane Voell, Ethnologe und Konfliktforscher an der Universität Marburg: "Die anfängliche Idee war, warum nutzen wir nicht die Methoden aus der Friedens- und Konfliktforschung, um Konflikte im Seminarraum zu bearbeiten."

Bei NAVINCLASS arbeiten Forschende aus unterschiedlichen Ländern zusammen: Deutschland, Spanien, Portugal, Rumänien und Bosnien-Herzegowina. Konflikte gibt es überall, aber der Umgang mit Konflikten unterscheidet sich - je nach historischem oder kulturellem Hintergrund. Stéphane Voell: "Wir lernen voneinander, wir sind sehr kooperativ, wir werden aber für jedes Land vermutlich unterschiedliche Herangehensweisen entwickeln." Denkbar wären etwa Plan- und Rollenspiele für Studierende in Bosnien-Herzegowina. In anderen Ländern sind vielleicht Workshop-Formate und kooperative Konfliktanalyseformen zielführender.

Projekt NAVINCLASS nutzt Methoden der Konfliktforschung

Der erste Schritt der Konfliktbewältigung besteht immer darin, die Situation genau zu beleuchten. Worin besteht das Problem? Was sind die Interessen der einzelnen Akteure? Alle Seiten werden angehört. So entsteht Verständnis für die Gegenseite. Später lassen sich daraus mit verschiedenen didaktischen Methoden Lösungen oder Kompromisse entwickeln. Manchmal geht es auch um etwas anderes: Um das, was nicht angesprochen wird, aber jeder spürt: etwa in Bosnien-Herzegowina. Dort treffen 30 Jahre nach dem Völkermord von Srebenica verschiedene ethnische Gruppen aufeinander, die den Konflikt bewusst vermeiden, berichtet Stéphane Voell: "Man muss kontroverse Themen ansprechen, um sie zu bearbeiten." Rollenspiele können dann zum Beispiel helfen, sich in die Situation des anderen hineinzuversetzen.

Ein anderes Beispiel kommt von der Universität Erlangen: Dort begegnen sich im Hörsaal unter anderem jüdische und muslimische Studierende und Wissenschaftler. Aber selten kommen sie miteinander ins Gespräch, berichtet der Erlanger Antisemitismusbeauftragte Lutz Edzard: "Wenn ich jüdische Wissenschaftler einlade, zum Beispiel Michael Wolffsohn aus München, dann kommt eher die jüdische Gemeinde und Theologen, aber keine Muslime. Der Dialog wird nicht wirklich gesucht. Da ist Luft nach oben und deswegen finde ich das Projekt NAVINCLASS sehr gut."

NAVINCLASS will Polarisierungen entgegenarbeiten

Auch der Wirtschaftsgeograf Stefan Ouma von der Universität Bayreuth bewertet das Projekt NAVINCLASS positiv. Er wünscht sich einen solchen Prozess auch an seiner Hochschule: "Die Konflikte, die uns umgeben, müssen in irgendeiner Art und Weise didaktisch bearbeitet werden und dazu braucht es auch Einsichten aus der Forschung, wie das gelingen kann." Er führt Social Media als ein Problemfeld an, das die gesellschaftlichen Gräben vertiefe und zur Polarisierung auch im Hörsaal beitrage. Vor allem die extreme Rechte beeinflusse junge Menschen über soziale Netzwerke.

NAVINCLASS verfolgt einen friedenspädagogischen Ansatz und arbeitet diesen Polarisierungen entgegen. Studierende sollen lernen, respektvoll und konstruktiv miteinander umzugehen. Das Handwerkszeug mit passenden Trainingsmodulen und Workshops wollen die Forschenden von NAVINCLASS in den nächsten drei Jahren entwickeln und dann allen Hochschulen zur Verfügung stellen.

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