"Prognosen sind in dieser Situation sinnlos", seufzte Dmitri Drise [externer Link], der Kolumnist des russischen Wirtschaftsblatts "Kommersant", nach dem Treffen zwischen Wladimir Putin und dem US-Unterhändler Steve Witkoff in Moskau: "Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Bislang wurden auf dem Weg zum Frieden keine nennenswerten Fortschritte erzielt." Es gebe allerdings "erhöhten Druck auf beiden Seiten". Ironisch bemerkte Drise, anscheinend habe Putin seine US-Gäste, darunter Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, "wieder einmal mit einem Vortrag über ein destruktives Europa und eine feindselige Ukraine" konfrontiert.
"Putin vertritt harte Haltung gegenüber Europa"
"Offenbar war es kein großer Erfolg", so das Fazit des viel zitierten russische Beobachters: "Vor allem, weil Kushner nicht wie jemand von Wladimir Putins Format wirkt. Er ist für Putin ein Außenseiter – ein Vertreter einer anderen Generation. Zudem schickte Trump seinen Schwiegersohn ganz offensichtlich mit nach Moskau, um ein Gegengewicht zu dem vermeintlich prorussischen Steve Witkoff zu schaffen, der in Russland seit Langem willkommen ist. Das dürfte den Gastgebern nicht gefallen haben."
Auch der russische Politologe Georgi Bovt vermutete [externer Link], Putin habe abermals länglich monologisiert: "Ich glaube, der russische Präsident verbrachte einen Großteil der Zeit damit, der amerikanischen Delegation zu erklären, warum Russland keine Zugeständnisse machen würde, die es als fundamental betrachtet – vor allem, was die Frage der Territorien betrifft." Letztlich sei viel "Rhetorik" im Spiel gewesen, eine vornehme Umschreibung für Wortgeplänkel: "Putin vertritt eine recht harte Haltung gegenüber Europa, die er bereits vor den Gesprächen deutlich gemacht hat."
Putin über Ukraine-Krieg: "Behutsam und vorsichtig"
Vor Journalisten hatte Putin unmittelbar vor den Verhandlungen mit Witkoff und Kushner mit unverhohlener Aggression bemerkt [externer Link]: "Wenn Europa plötzlich Krieg gegen uns beginnen will und es tatsächlich macht, könnte sehr schnell eine Situation entstehen, in der niemand mehr da sein wird, mit dem wir verhandeln könnten." Mit der Ukraine gehe Russland im Vergleich dazu "sehr behutsam und vorsichtig" um, das sei gar kein Krieg "im wörtlichen, modernen Sinne".
Peter Jungblut
Der St. Petersburger Politologe Michail Winogradow schrieb mit Blick auf die unversöhnliche Haltung des Kremls sarkastisch [externer Link]: "Kompromisse wurden offenbar noch nicht in die Liste der traditionellen Werte aufgenommen." Es sind diese "Werte", die von Putins Propagandisten immer wieder als typisch russisch bezeichnet werden.
"Russland ist müde"
Dagegen unterstellte der kremlkritische Publizist Andrei Kalitin [externer Link], letztlich würden die USA und China unter sich das weitere Schicksal Putins bestimmen: "Russland kämpft bereits seit anderthalb Monaten länger [mit der Ukraine] als im Ersten Weltkrieg. Im Januar wird der Rekord des Großen Vaterländischen Krieges [von 1941 bis 1945] gebrochen. Es wird immer schwieriger, neue Sinngebungen und Ziele zu finden. Russland ist müde, auch wenn es das abstreitet."
Die berühmte Mafia-Saga "Der Pate" von Mario Puzo zitierend, kam Kalitin auch auf die überstürzte nächtliche Abreise von Witkoff und Kushner aus Moskau zu sprechen: "Don Corleone möchte schlechte Nachrichten sofort hören."
"Russland demonstriert Stärke"
Pessimistisch auch die Einschätzung von Publizist Dmitri Sewrjukow [externer Link]: "Nach dem Besuch von Witkoff und Kushner in Moskau und angesichts der dürftigen offiziellen Stellungnahmen ist klar, dass der Winter nicht nur kalt, sondern auch heiß werden wird. Die langwierige Pattsituation wird andauern und mit ziemlicher Sicherheit den Großen Vaterländischen Krieg überdauern. Die einzige Frage ist, wie die Eskalation aussehen wird und wie die amerikanische Sanktionspolitik gegen die russische Ölindustrie aussehen wird – ob sie gelockert wird oder unverändert bleibt."
Politologe Ilja Graschtschenkow meinte [externer Link] düster: "Russland verhandelt nicht, sondern demonstriert auf diplomatischer Ebene seine Stärke. Ziel ist nicht eine Kompromiss-Lösung, sondern die Klarstellung, der Konflikt könne nur durch die Annahme russischer Forderungen 'beendet' werden. Witkoffs Besuch ist Teil dieser 'Kapitulationsarchitektur', die darauf abzielt, russische Forderungen durch einen amerikanischen Vermittler zu legitimieren."
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