Eine Frau geht am Abend mit einem Blindenstock auf Treppenstufen zu. Im Hintergrund sind rechts zwei Bäume zu sehen, links steht ein Gebäude.
Eine Frau geht am Abend mit einem Blindenstock auf Treppenstufen zu. Im Hintergrund sind rechts zwei Bäume zu sehen, links steht ein Gebäude.
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KI kann Blinden im Alltag helfen. So könnten sie beispielsweise vom Blindenstock (siehe Bild) zum smarten Blindenstock wechseln.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Daniel Karmann
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KI kann Blinden im Alltag helfen. So könnten sie beispielsweise vom Blindenstock (siehe Bild) zum smarten Blindenstock wechseln.

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Wie KI Blinden hilft: "Als Hilfsmittel nicht mehr wegzudenken"

Wie KI Blinden hilft: "Als Hilfsmittel nicht mehr wegzudenken"

Künstliche Intelligenz kann Menschen vielseitig helfen. Bei BR24 haben User gefragt, wie KI den Alltag von Blinden verändern kann. Gespräche mit Experten zeigen: Es gibt einige hilfreiche Produkte und Anwendungen. Doch es ist auch Vorsicht geboten.

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In den Kommentaren bei BR24 haben Nutzer jüngst darüber diskutiert, wie KI Blinden möglicherweise im Alltag helfen kann. So schrieb etwa der User "Petri": "Kein Scherz – ich frage mich gerade ernsthaft, ob man es hinbekommen könnte, für blinde Menschen ähnliche Assistenzsysteme wie für Fahrzeuge zu entwickeln, damit diese die 'Gesamtsituation' besser erkennen können?"

Nutzer "Andi1971" antwortete: "Beziehungsweise habe ich mich gefragt, ob KI im Blindenstock nicht möglich wäre. Also ein System, das ungewohnte Veränderungen auf dem Weg erklärt. Nicht nur den quer liegenden E-Scooter, sondern auch Baustellenabsperrung oder ganz simpel im Winter den Schneewall vom Schneepflug."

Smarte Brillen: Unterstützung in vielen Lebenslagen

"Die KI ist als Hilfsmittel für Blinde nicht mehr wegzudenken", sagt Tobias Fechner im BR-Gespräch. Er ist Vertriebsassistent bei Reinecker Vision, einem Hersteller und Vertreiber von Hilfsmitteln für Sehbehinderte und Blinde. Fechner ist einer von zwei blinden Mitarbeitern im Unternehmen. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Produkte vorzuführen und Kunden zu schulen. Wie andere blinde Menschen auch trifft Fechner in seinem Leben immer wieder auf Hindernisse.

Es gebe verschiedene Produkte, Programme oder Apps, die einem mithilfe von KI den Alltag erleichtern. So habe ihm zum Beispiel seine smarte Brille im Hotelzimmer geholfen, die Klimaanlage richtig einzustellen. "Weil ich nicht wusste, ob ich im oder gegen den Uhrzeigersinn drehen muss, um es mir im Zimmer kühler zu machen." Mit seiner Brille konnte er ein Foto des Thermostats machen und die KI lieferte ihm kurz darauf die richtige Antwort.

Generell könnten smarte Brillen zum Beispiel Texte erkennen und vorlesen. "Dabei geben sie auch Hilfestellungen und sagen mir zum Beispiel, dass ich das Dokument weiter nach links schieben muss, damit es ganz im Sichtfeld ist", so Fechner. Die KI könne auch Bilder oder Grafiken erkennen und beschreiben. Es sei auch möglich, Fragen zu einem eingescannten Dokument zu stellen. "Das ist sehr hilfreich", findet Fechner. So könne man etwa bei einer Rechnung direkt nachfragen, wie viel die Eier gekostet hätten oder wie viel der gesamte Einkauf gekostet habe. Reine, früher oft verwendete Vorlesegeräte hätten hingegen nur stur Zeile um Zeile vorgelesen.

"Krankenkassen übernehmen Kosten ganz oder teilweise"

"Viele Krankenkassen übernehmen die Kosten ganz oder teilweise als Vorlesegerät", erklärt Christian Stahlberg, Referent für elektronische Hilfsmittel für blinde Menschen beim Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSB). Laut Stahlberg müssten Krankenkassen Blinden Hilfsmittel bereitstellen, um sicherzustellen, dass diese Texte im Alltag lesen könnten.

Ein großer Vorteil von smarten Brillen sei es, dass man zur Bedienung seine Hände nicht brauche. Das sei praktisch, "etwa, wenn man ein Produkt in die Hand nimmt und scannen möchte oder sonst die Hände zum Ertasten braucht", so Stahlberg. Unterwegs, wenn eine Hand meist mit dem Blindenstock belegt sei, habe man zudem so die zweite Hand frei.

Vorlesegeräte, integrierte Sprachausgabe und KI-Apps helfen

Auch in Vorlesegeräten stecke inzwischen KI, die Blinden helfen kann. So könnte etwa moderne Geräte auch Handschriften lesen und Bilder beschreiben, so Stahlberg. "Es ist schön, dass so zum Beispiel auch die handgeschriebene Postkarte aus dem Urlaub gelesen werden und das Foto auf der Vorderseite beschrieben werden kann."

Herkömmliche Smartphones seien dank der integrierten Sprachausgabe von Blinden "hervorragend" nutzbar, erklärt Stahlberg. Auch KI-Apps wie ChatGPT, Perplexity AI oder Google Gemini würden heutzutage selbstverständlich von vielen Blinden genutzt werden.

Mit dem smarten Blindenstock unterwegs

"Im Bereich Mobilität kann auch ein smarter Blindenstock helfen", sagt Tobias Fechner. Dieser verfüge etwa über eine neuartige Hinderniserkennung und über eine integrierte Navigationsfunktion. Er könne mit einer App gekoppelt werden und beinhaltet einen KI-Assistenten. Mithilfe des Sprachassistenten kann man zum Beispiel nach bestimmten Orten wie einem Restaurant fragen oder sich die Öffnungszeiten mitteilen lassen.

KI kann Blinden sehr helfen, aber...

Dennoch ist bei der Nutzung von KI, auch für Blinde, Vorsicht geboten, wie Christian Stahlberg vom BBSB erklärt. So könne es zum Beispiel passieren, dass die KI sich die Freiheit herausnimmt und Lücken beziehungsweise unklar gescannte Sätze mit eigener Fantasie auffülle. "Auch beim Scannen sensibler Dokumente ist Vorsicht geboten", gerade hinsichtlich des Datenschutzes. Zudem könne etwa dasselbe Bild von zwei verschiedenen KI-Anbietern völlig unterschiedlich interpretiert werden. Dann sei unklar, welche Darstellung nun tatsächlich der Realität entspreche. Zusammenfassend lasse sich sagen, dass KI blinden Menschen sehr helfen kann. "Aber es braucht unbedingt viel gesunden Verstand, um Antworten zu hinterfragen", so Stahlberg.

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